Selten wurde eine Neuerung der Wirtschaftsgesetzgebung so erfreut aufgenommen und lebhaft umgesetzt wie die Squeeze-out-Regelung – freilich nur von Seiten herrschender Großaktionäre. Wenn das Gesetz die Interessen der Kleinanleger angemessen berücksichtigen würde, dürfte es auf den beschlußfassenden Hauptversammlungen nur glückliche Aktionäre geben: viele kleine glückliche Abgeber und ein großer glücklicher Aufnehmer.

Mit der Dresdner Bank hat der legale Rausschmiß von Kapitalgebern ein prominentes Referenzobjekt bekommen, und ein recht großes obendrein. 815 Mio. Euro soll es die Großaktionärin Allianz Holding kosten, die letzten weniger als drei Prozent des lästigen Börsenfußvolks loszuwerden. Immerhin geht es um 20.000 Anleger, mit denen man eine Kleinstadt bevölkern könnte oder auch die geplante Allianz-Arena vor den Toren Münchens. Die Lehre von den wenigen Berufs-Obstruenten mit Minimalbesitz dürfte nicht greifen.

Selbst ein 1 %-Aktionär der Dresdner Bank, dessen Paket runde 286 Mio. Euro wert ist, muß ohnmächtig zusehen, wie man ihm den Stuhl vor die Tür "seiner" Bank setzt. Er kann höchstens auf mehr Geld pokern, indem er auf eigenes Kostenrisiko ein Spruchstellenverfahren mit astronomisch hohem Streitwert anzettelt und (ein Dankeschön an die zuständigen Richter!) fünf oder zehn, in Extremfällen auch mal 18 Jahre Zeit mitbringt, bis ein Urteil vorliegt.

Dabei muß die Frage erlaubt sein, werter Steuergesetzgeber, in welcher Weise ein nach steuerlicher Lesart "wesentlich" beteiligter 1 %-Aktionär seine Wesentlichkeit zur Wirkung bringen kann. Eine 5 %-Hürde zur Wesentlichkeit wäre wohl eingänglicher, könnte ein solcher Teilhaber immerhin ein Squeeze-out verhindern oder eine außerordentliche Hauptversammlung verlangen.

Spitzfindige Beobachter könnten sogar auf die Idee kommen, daß die neue Rauswurf-Regel auf Betreiben oder mit wesentlicher Unterstützung interessierter Großaktionäre installiert worden ist. Das Totschlagsargument, im Ausland gäbe es solcherlei schon lange, gibt umso mehr zu denken. Auch mit dem Neuen Markt wurde eine gute Idee aus dem Ausland dankbar aufgenommen, aber mit Lücken und ziemlich verschwommen kopiert.

Wenn solche bösen Zungen die Einführung des Neuen Marktes als "Gesetz zur Förderung hochpreisiger Exits für Venture Capital-Gesellschaften und Verwaltungsmitglieder" beschimpfen, müssen sie die Squeeze-out-Regel konsequenterweise als "Ermächtigungsgesetz zur Sicherung großer Vermögen vor Augen und Händen kleiner Anleger" brandmarken.

Die Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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