Das Urteil von Richter Thomas Penfield Jackson im Prozeß gegen Microsoft fiel sehr deutlich aus. Daß Microsoft ein Monopol habe, ist dabei nicht strafbar. Microsoft habe dasselbe jedoch zu "wettbewerbswidrigen Zwecken" eingesetzt. Microsofts Dominanz im Markt für Betriebssysteme wurde nach Meinung des Richters instrumentalisiert, um Netscape aus dem Browser-Markt zu drängen. Dabei sei dem Unternehmen die Verteidigung der eigenen Marktstellung wichtiger gewesen als Innovationen. Amerikanische Verbraucher hätten dabei das Nachsehen gehabt. Im Kampf gegen Netscape habe sich Microsoft auch die Unterstützung anderer Firmen zugesichert und dafür "gigantische Summen ausgegeben", so Richter Jackson. "Das Urteil werde den amerikanischen Verbrauchern nutzen, indem es die Tür für Wettbewerber öffnet", so erfreute Stimmen aus dem US-Justizministerium. Das Strafmaß wurde noch nicht bekannt gegeben. Genaueres hierzu wird erst im Sommer erwartet.

Eine Überraschung – da waren sich alle Marktbeobachter einig – war das Urteil jedoch keinesfalls. In einer Pressekonferenz sagte Bill Gates: "Das heutige Urteil kommt nicht unerwartet … in diesem Fall liegen noch mehrere Schritte vor uns". Gleichzeitig ließ CEO Steve Ballmer verlautbaren, man sei auch weiterhin an einer außergerichtlichen Einigung interessiert. Bereits im Vorfeld des Urteils gab es dahingehende Versuche. Die Sanktionsvorschläge, die Microsoft einbrachte, gingen dem Gericht allerdings nicht weit genug. Die Gespräche brachen am Wochenende ab.

Microsoft wird also in Berufung gehen und der Prozeß wird sich möglicherweise noch Jahre hinziehen. Darauf spekulieren Gates und Co. auch. Wer weiß, wie die Computerindustrie in zwei oder drei Jahren aussieht? 2002 wird es schwierig sein, harte Strafen gegen Microsoft für Vergehen aus dem Jahre 1995 zu rechtfertigen. Das könnte ein Hoffnungsschimmer für Bill sein. Doch die Affäre ist auch politischer Natur. Republikaner haben sich wiederholt für Microsoft stark gemacht. Sollte der nächste Präsident der USA George W. Bush heißen, könnte Microsoft bessere Karten haben.

Fragt man nun, ob das Urteil das Ende einer Ära markiert, so heißt die Antwort: Jein. Einerseits ist Microsoft nach dem starken gestrigen Kursverlust, was die Marktkapitalisierung anbetrifft, nur noch die Nr.3 in den USA – hinter Cisco Systems und General Electric. Andererseits ist das Wachstum des Unternehmens bisher ungebrochen, Windows 2000 ist gut angelaufen und die fundamentalen Daten sehen vielversprechend aus. Das Kartellverfahren verhindert derzeit allerdings eine Rallye der Aktie. Auf Sicht von zwei bis drei Jahren – das ist ein Zeitraum, den die Börse antizipiert – kommt Microsoft jedoch in Zugzwang. Dann dürfte die Ära der Windows-Betriebssysteme in der uns bekannten Form zu Ende sein. Die dezentrale Struktur des Internets und mobile Kommunikationsmöglichkeiten verlangen nach alternativen Konzepten.

Mit Next Generation Windows möchte Microsoft sich in diesem Markt repositionieren. Dieses Rennen ist aber noch offen. Wenn Microsoft auch hier die Nase vorne haben möchte, dann müssen echte, eigene Innovationen her. Nach den alten Regeln wird sich dieses Spiel nämlich nicht mehr gewinnen lassen. Dafür dürften Bills Spielverderber aus Washington schon sorgen.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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