Die Auswirkungen dieser Zeugungs- und Empfängnisunlust sind dramatisch. Es wird viel über den Umbau des Sozialstaates diskutiert und noch viel mehr lamentiert. Ein ziemlich müßiger Zeitvertreib, denn angesichts der schlappen Geburtenzahlen gibt es nur eine Schlußfolgerung: Wenn das so weitergeht, bleibt kein Stein auf dem anderen.

Was sind die Gründe? Sind wir ein Heer von Egoisten, die lieber im Cabrio cruisen statt den Nachwuchs im Golf Kombi zum Musikunterricht zu karren? Ist es die dürftige Förderung durch die Politik, die Eltern mit lächerlich geringem Kindergeld, unwesentlichen Freibeträgen und viel zu wenig Betreuungsangeboten entgegen aller Lippenbekenntnisse im Stich läßt? Ist es die Wirtschaft, die nach wie vor zu unflexibel ist, um ihren Beschäftigten, vor allen den Frauen, im besten Fall Karriere und Familie gleichzeitig zu ermöglichen oder wenigstens den Wiedereinstieg ins Berufsleben?

Wie auch immer, der Blick ins Ausland legt ein dreifaches „Ja“ nahe. Ähnlich leistungsfähige Länder wie Frankreich und Großbritannien weisen dank dezidierter Bevölkerungspolitik eine um 50 % höhere Geburtenrate als in Deutschland auf, andernorts in Europa kommen sogar doppelt so viele Kinder wie hierzulande zur Welt. Wie absurd wirkt da doch der Streit zwischen Finanzminister Steinbrück und Familienministerin von der Leyen zu Beginn der Legislaturperiode um lächerliche 900 Mio. Euro. Ein Vielfaches dieser Mittel müßte umgeschichtet werden, um Effekte zu erreichen.

Ein ganz typisches Beispiel ist zum Beispiel die Schließung von Schulen und Kindergärten im ländlichen Raum. Schon Erstklässler müssen in vielen Gegenden per Bus in die erste Klasse fahren und Kindergartenkinder in den Nachbarort ausweichen. Finanziell sei es nicht darstellbar, Minischulen zu erhalten oder zu kleine Kindergartengruppen. Und genau diese Haltung ist das Problem: Kindergarten und Grundschule gehören in den Ort, koste es was es wolle. Das muß Deutschland sich leisten können. Hier muß das ganz große Umdenken erfolgen.

Kinder sind ein Stück Zukunft, das in unsere Gegenwart hineinreicht – und ohne Kinder gibt es keine Zukunft. Wer Menschen verunsichert, etwa durch die ständige Drohung, bei mangelnder Gefügigkeit Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, wer Mütter aufs Abstellgleis schiebt und wer Familien im Stich läßt, schadet dem Land. Der größte gesellschaftliche Dienst, der dem Land und der Menschheit erwiesen werden kann, sei Kinder aufzuziehen, bemerkte einst George Bernard Shaw. Dieser Dienst muß sehr schnell sehr viel attraktiver ausgestaltet werden.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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