Die Deutsche Börse AG hat es wirklich nicht leicht mit ihrem „Enfant terrible“ Neuer Markt. Skandale über Skandale, Insolvenzen, und jetzt das. Die Penny Stock-Regeln, die Ende letzten Jahres eingeführt worden waren, um dem angeschlagenen Image des Wachstumssegmentes zu neuer Blüte zu verhelfen, wurden ausgesetzt. Die Wackelkandidaten und zwielichtigen Unternehmen, die aus dem Markt verbannt werden sollten, müssen also weiter geduldet werden. Ein herber Rückschlag im Reformstreben der Deutschen Börse, aber längst kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen.

Ein Griff in die Trickkiste förderte alsbald den nächsten Coup zu Tage. Die „Going Public Principles“. Der Kampf um den Neuen Markt geht also weiter. Weil das Aufräumen bei den notierten Unternehmen aber nicht klappt, wendet man sich jetzt eben dem anderen Ende zu, den IPO-Kandidaten. Die müssen sich nun mehr anstrengen, um in den ehrwürdigen Kreis der Nemax-Mitglieder aufgenommen zu werden.

Zum einen geht es um den Emissionsprospekt, der nach dem Willen der Verantwortlichen „zur zentralen Entscheidungsgrundlage für Anleger“ gemacht werden soll. Von der Schriftgröße bis zur Darstellung der Risikofaktoren will die Deutsche Börse alles einheitlich haben, zum Zwecke der Übersichtlichkeit und weil neben den Infos aus dem Emissionsprospekt vor dem Börsengang nichts Wesentliches veröffentlicht werden soll. Damit private wie auch institutionelle Investoren und Analysten alle auf dem gleichen Informationsstand sind und damit eventuelle Prospekthaftungsklagen besser als bisher durchsetzbar sind.

Um die Prinzipien wirklich erfolgreich zu machen, soll es zum anderen eine „Black-out-Periode“ geben, ganz wie beim Vorbild USA, wo diese Regel schon lange angewendet wird. Nun soll ein Börsenkandidat ab vier Wochen vor Beginn der Zeichnungsfrist keine Angaben mehr machen dürfen, die nicht im Prospekt enthalten, für die Bewertung der Aktie aber wesentlich sein könnten. Die emissionsbegleitenden Banken dürfen zwei Wochen vorher kein Research zum Unternehmen mehr veröffentlichen. Diese Periode des Stillschweigens soll dann erst 30 Tage nach der Erstnotiz beendet werden.

Doch das neue Regelwerk weist Schwächen auf. Da ist einmal die Sache mit dem einheitlichen Emissionsprospekt. Sicher, strengere Regeln können die Unternehmen zu weniger Eigenwerbung und mehr Information im Emissionsprospekt anhalten. In der Vergangenheit ist aber auch eines klar geworden. Gewiefte Unternehmer werden mit kreativen Formulierungen auch jetzt noch jeden Knackpunkt und jedes stichhaltige Faktum in Bezug auf Risiken oder sonstige Unternehmensdarstellungen umgehen können.

Um die angestrebte Stillhalteperiode steht es noch schlimmer. Das große Vorbild USA hat es selbst gezeigt. Nur weil gar nichts mehr gesagt werden darf, bedeutet das noch lange nicht, daß keiner mehr etwas erfährt. Dem Insiderhandel könnte Tür und Tor geöffnet werden – und der Privatanleger tappt noch mehr im Dunkeln. Die neuen „Prinzipien“ sind ein weiterer Versuch, einen Weg aus der Krise zu finden, der goldene ist es aber sicherlich nicht.

Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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