So ein Verfahren hatte die Republik noch nicht gesehen: Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser war nach seiner märchenhaft hohen Abfindung infolge der Übernahme durch Vodafone ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten und mit ihm die Aufsichtsräte, die alles abgenickt hatten, allen voran Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann. Das Düsseldorfer Gericht sprach die Angeklagten vom Vorwurf der Untreue beziehungsweise der Beihilfe dazu frei.

Doch jetzt hat sich die Generalstaatsanwaltschaft des Falles angenommen, weil man sich nach Prüfung der Unterlagen mit der Abfindung nicht abfinden will. Dem Vernehmen nach wird das Urteil der Richterin Brigitte Koppenhöfer wegen teilweise nicht nachvollziehbarer Beweiswürdigung als juristisch mangelhaft angesehen.

Mehr noch: Die Glaubwürdigkeit der Angeklagten wird offenbar angezweifelt. Räumt man die juristischen Fachbegriffe beiseite, bleibt eine Erkenntnis: Im Kern schätzt Bundesstaatsanwalt Kay Nehm die Abfindungszahlungen so ein, wie sie auch vom gemeinen Volk und natürlich den Aktionären verstanden werden: als obszönes Handgeld, für das es keine Begründung gibt.

Die deutsche Justiz bleibt also immer für eine Überraschung gut. Egal, wie das Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof ausgehen wird: Die Botschaft läßt schon jetzt an Deutlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig. Die Ära der Phantasieabfindungen geht zu Ende. Das ist auch gut so in Zeiten, in denen vor den Arbeitsgerichten um wenige Euro gefeilscht wird, selbst wenn Menschen nach 20 und mehr Jahren bei einem Unternehmen entlassen wurden.

Die Entscheidung, die Revision anzugehen, wird für mehr Sensibilität in den Führungsetagen sorgen. Denn hier kläfft nicht ein wadenbeißiger Politiker. Vielmehr hat sich ein wirtschaftsfeindlicher Umtriebe vollständig unverdächtiger Generalstaatsanwalt ein juristisches Urteil gebildet. Das hat Gewicht. Auch Aktionäre dürfen sich gestärkt fühlen. Schließlich ist es ihr Geld, daß jetzt auf einem Esserschen Konto lagert.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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