Die deutsche Medienlandschaft steht vor einem einschneidenden Umbruch: In den 90er Jahren hat sich das Privatfernsehen zwar schon beträchtliche Einschaltquoten erobert, die Printmagazine großer Verlage teilen den Markt ebenfalls unter sich auf, die hinter diesen Publikationen stehenden Medienkonzerne traten jedoch wenig in Erscheinung. Erst durch den Siegeszug des Internets und die Verbreitung der Inhalte über das neue Medium ergibt sich für die weitverzweigten und verschachtelten Riesen die Notwendigkeit, mehr Präsenz zu zeigen. Zur Finanzierung kostspieliger Übernahmen und zur Bündelung des Online-Auftritts wird es darüber hinaus erforderlich, den Kapitalmarkt anzuzapfen. Börsengänge von Teilen der Medienriesen wie der RTL Group (Bertelsmann/Audiofina/Pearson), Focus Digital (Burda) oder Viva Media (ebenfalls Bertelsmann) stehen bevor.

Für den Anleger stellt sich die Frage, ob sich mit diesen und weiteren anstehenden Emissionen bekannter Brands aus dem Mediensektor an die Erfolge von EM.TV (+18.500 % ggü. Emisionspreis) oder in diesem Jahr TV Loonland (+360 % ggü. Emissionspreis) anknüpfen läßt. Zunächst einmal handelt es sich bei den Ablegern der großen Konzerne um ein grundsätzlich anderes Geschäftsfeld innerhalb der Medienbranche. Darüber hinaus sollte berücksichtigt werden, daß die jüngsten Börsenkandidaten keine Start-ups sind, sondern vielmehr bereits über eine etablierte Marktstellung und ein bekanntes Branding verfügen. Die Börsenkandidaten werden von ihren Alteigentümern daher eher nicht zum Schnäppchenpreis veräußert.

Bei Focus Digital-Aktien, die morgen wahrscheinlich zu 17 Euro, also am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne, am Markt plaziert werden, errechnet sich jedenfalls ein stolzes 2001er KUV von 12. Auch VIVA, der TV-Ableger des Konkurrenten Bertelsmann, ist mit einem voraussichtlichen Emissions-KUV von 8 nicht mehr als günstig einzustufen. Zudem ist bei beiden Unternehmen in den nächsten zwei Jahren mit weiteren Anlaufverlusten zu rechnen. Ob sich die Investitionen in den nächsten Jahren auszahlen werden, ist momentan noch ungewiß. Ein Engagement drängt sich also weder bei Viva noch bei Focus Digital auf. Ähnlich sieht es bei der RTL Group aus, die ab dem 26. Juli an den Börsen in London, Amsterdam und Brüssel gehandelt werden soll. Da die RTL-Aktie im Prinzip aus einem Listing der Audiofina-Aktie an der Londoner Börse hervorgehen wird, läßt sich die Bewertung schon jetzt ablesen: Mit einem 2001er KGV von rund 52 ist hier ebenfalls schon viel Phantasie eingepreist.

Bleibt die Frage nach weiteren Börsenkandidaten, die sich für ein IPO eignen: Ein heißes Eisen wäre sicher die „Premiere World Aktie“: Die Pay-TV-Sparte des Kirch-Konzerns hat sich in diesem Jahr die Rechte für die Übertragung von Bundesligaspielen für die nächsten vier Jahre für schlappe 1,5 Mrd. Euro erworben. Bei zusätzlichen Anlaufkosten von weiteren mehr als 1 Mrd. Euro und einem frühestmöglichen Break-Even Ende des Jahres 2002, bis zu dem sich die Abonnentenzahl von gegenwärtig 2,2 Mio. Zuschauern auf dann 4 Mio. Nutzer verdoppeln muß, wäre dieses Papier ein riskantes Investment. Nur gut, daß hinter Leo Kirch noch der australische Medienmogul Rupert Murdoch mit seiner Kapitalbeteiligung von derzeit 24 % steht. Ohne diesen „Venture-Capital-Geber“ stünde die Kirch-Pay-TV-Sparte sicher schon bald vor dem finanziellen Aus. Selbst sehr euphorische Börsianer dürften für eine Zeichnung nur schwer zu begeistern sein.

Insgesamt sollten Anleger bei Spin-offs der großen Medienkonzerne daher vorsichtig sein und ein Investment genau prüfen. Auch große Namen schützen nicht vor Reinfällen.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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