Parallelgesellschaften, die in Parallelwelten leben – dieses Paradigma kennt man bislang nur in der Integrationsdebatte. Nimmt man die Ifo-, ZEW-, Einkaufsmanager-, Verbrauchervertrauens- und sonstigen Indizes, läßt sich die Vorstellung durchaus ins Wirtschaftsleben übertragen. Ständig werden Volkswirte oder Wirtschaftswissenschaftler zitiert, die einen höheren oder geringeren Anstieg oder Rückgang dieses oder jenes Index erwartet hätten.

Kurzum: Die Umfrageergebnisse stimmen immer seltener mit dem überein, was Wissenschaftler ermittelt haben. Und auch der „gefühlte“ Wert weicht mitunter kraß von dem ab, was umgefragt worden ist. Ein aufschlußreiches Beispiel war der gestern veröffentlichte ZEW-Index, der weit hinter den Erwartungen blieb. Sitzt also in den Unternehmen eine Generation von Schwarzmalern, die aus durchsichtigem Interesse die Lage und die Aussichten schlecht reden? Vieles spricht dafür, daß Umfragen mehr und mehr dazu instrumentalisiert werden, öffentlichen Druck aufzubauen.

Es paßt einfach nicht zusammen, wenn Unternehmens- und Verbandsvertreter ständig die Lage schlecht reden und in Umfragen, wie sie zum Beispiel auch von den IHKs regional unternommen werden, Unternehmenslenker in ein permanent negatives Lamento verfallen – gleichzeitig aber die Gewinne kräftig steigen. Und dies bei einem stetig verringerten Anteil am Gesamtsteueraufkommen.

Keine Frage: Seriöse Umfragen mit Tradition können durchaus wertvolle Hinweise auf zukünftige Entwicklungen geben und somit Anlageentscheidungen beeinflussen. Wenn aber nahe liegt, daß die guten Sitten der Wahrhaftigkeit ein wenig gelitten haben, ist allerhöchste Vorsicht angezeigt. In letzter Konsequenz bedeutet dies, daß Umfragen, deren Ergebnisse auf einer, sagen wir, gewissen Oberflächlichkeit der Antworten basieren, eher Ursache als die Folge einer Entwicklung sind. An der Börse nennt man so etwas self-fullfilling prophecy. Da wäre es doch besser, ungefragt als umgefragt zu bleiben.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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