Nun wird unter Hochdruck nach einem Weg aus der Krise gesucht – und das alte Thema Börsengang wird wieder brandaktuell.

Damit hatte SEC-Chef Donaldson wohl kaum gerechnet. Um auch die Börsen vom neuen Ruf nach Transparenz nicht auszunehmen, gibt er den Auftrag, die internen Strukturen der Handelplätze untersuchen zu lassen, und prompt wird festgestellt, daß sich der Chef der New Yorker Börse, Richard „Dick“ Grasso, in den vergangenen fünf Jahren ein Gehalt von rund 180 Mio. US-$ genehmigt hat. Für einen Quasi-Beamtenjob doch eine stolze Summe. Diese Erkenntnis hat seitdem für viel Wirbel in Wirtschaft, Politik und Medien gesorgt und letztlich dazu geführt, daß Börsenchef Grasso trotz vormals vehementer Widerstandsbekundungen jüngst seinen Rücktritt anbieten mußte. Der Zankapfel ist damit wohl weg, das Problem aber bleibt, denn die Strukturen sind immer noch die alten.

Noch bis zum Juni dieses Jahres konnte der kahlköpfige Grasso die Mitglieder aller NYSE-Ausschüsse selbst vorschlagen. Ein systematischer Aufbau von Fürsprechern also. Genauso fragwürdig das System der Bankenregulierung, denn mehrere Wall Street-Banken, die von der NYSE reguliert werden, sind gleichzeitig in mehreren gehaltsrelevanten Gremien der Börse vertreten. Da faßt jeder den anderen nur mit Samthandschuhen an – und die Millionen-Gehälter sind in trockenen Tüchern. Die Aufrichtigkeit der Regulierung aber bleibt auf der Strecke. Bislang hat die Führungsetage der weltgrößten Börse deswegen eher den Ruf eines sehr exklusiven Clubs, denn eines informationswilligen und durchsichtigen Unternehmens. Das muß schleunigst geändert werden, und was läge dafür näher als die Umfirmierung in eine Aktiengesellschaft mit dem anschließenden Börsengang?

Auf dem Weg zur Kapitalmarktfähigkeit wäre die NYSE zur Implementierung eines wirkungsvollen Corporate Governance Systems quasi gezwungen, und die Frage, ob und wie viel nun verdient werden darf, letztlich eine Entscheidung der Aktionäre. Und die wären von einem Börsengang zweifelsohne entzückt. Schon jetzt wird die potentielle NYSE-Aktie als „must own“ gehandelt, als Repräsentant bzw. Indikator des (amerikanischen) Aktienmarktes insgesamt, ein Index gebündelt in einer Aktie sozusagen. Ob es aber tatsächlich zu einem IPO kommt, bleibt abzuwarten. Nur so viel ist sicher. Das Interesse der Anleger wäre vorhanden, denn spätestens seit der 100 % Performance der Chicago Mercantile Exchange sind Börsen-Aktien keine Nebensache mehr.

Die GoingPublic erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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