Am gestrigen „Christi Himmelfahrt“ fand zudem der Startschuß für eine weitere Neuerung statt. Auch an Feiertagen wie Fronleichnam oder dem „Tag der deutschen Einheit“ soll jetzt mit Aktien gehandelt werden. Ob das nun aber paradiesische Zustände für die deutsche Financial Community sind, oder ob es sich als Martyrium für alle Beteiligten entpuppt, muß sich erst noch zeigen. Die Neuerung mit einem einfachen „gut“ oder „schlecht“ vom Tisch zu fegen, wäre allerdings etwas zu einfach. Versuchen wir also, einige Teilaspekte näher zu beleuchten!

Beginnen wir beim (Klein-) Anleger. Als nicht hauptberuflich an der Börse tätiger, mußte er sich bisher mit dem verdeckten Browserfenster zu seinem Online-Broker am Chef vorbei mogeln, um am täglichen Börsengeschehen teilhaben zu können. Damit ist jetzt Schluß, denn nun kann ohne Angst im Rücken nach Feierabend in aller Ruhe (oder Hast) getradet werden. Dazu kommt, daß insbesondere diejenigen Anleger, die ihre Blicke orientierungssuchend auf die amerikanischen Leitindizes Dow Jones und Nasdaq richten, nicht nur zu deren Eröffnung, sondern jetzt auch später noch ohne Verzögerung reagieren können. Das ist im übrigen auch einer der Gründe, den die Verantwortlichen bei der Deutsche Börse AG anführen. Laut ihrer Aussage wird ein Drittel des über Xetra getätigten Handelsvolumens nach Eröffnung der US-Börsen, also ab 15.00 Uhr, generiert.

So schön das alles für den Privatanleger klingen mag, es gibt auch eine Schwachstelle des verlängerten Handels. Wie sieht nämlich das neue tägliche Handelsvolumen aus? Natürlich, das absolute Volumen dürfte zunehmen, aber die Orderdichte, also Order pro Zeiteinheit, könnte gerade in den Abendstunden, wenn institutionelle Investoren von der Bildfläche größtenteils verschwunden sind, rapide abnehmen. Die Konsequenz daraus ist klar: Auf einmal könnten schon verhältnismäßig kleine Orders kursbeeinflussend wirken.

Auch die Banken, von der Hausbank bis zum Direkt-Broker, genauso wie alle anderen mit dem aktuellen Börsengeschehen arbeitenden Unternehmen müssen sich umstellen. Aufgrund der längeren Handelszeiten muß das Personal drastisch aufgestockt und gegebenenfalls der Schichtbetrieb eingeführt werden, denn fehlenden Service am Abend kann sich keiner leisten. Ob sich diese Art des Zwangsinvestments für die betroffenen Unternehmen letztlich bezahlt macht, scheint fraglich. Die Kursmakler-Kammer in Frankfurt ist davon jedenfalls nicht überzeugt. Sie errechnete bei sich einen mit den neuen Handelszeiten verbundenen Kostenzuwachs von rund 30 %, dem eine voraussichtlich nur 10 %ige Umsatzsteigerung gegenüber stehen werde.

Schließlich und endlich betrifft die neue Handelszeit auch die an den deutschen Börsen notierten Werte selbst. Wurden bisher die zu veröffentlichen Ad hoc-Mitteilungen entweder vor oder nach Börsenschluß verschickt, dürften die Investor-Relations Abteilungen dazu übergehen, sich auf den Zeitpunkt vor Handelsbeginn zu konzentrieren. Was das heißt, dürfte ebenfalls klar sein. An Stelle von 15-20 Mitteilungen am Montag morgen könnten es dann 30-40 werden. Damit dürfte der Kampf um Aufmerksamkeit und mediale Präsenz, speziell unter den Neuer Markt-Unternehmen, in eine neue Runde gehen.

Wie beurteilen Sie die verlängerten Handelszeiten? Eine zukunftsweisende Innovation, oder ein Schritt in die falsche Richtung ? Senden Sie einfach eine eMail an feedback@gp-media.de! Wir freuen uns über Ihre Meinung.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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