Mit dem im Jahr 2009 in Kraft getretenen neuen Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) wurde die praxisgerechte und flexible Möglichkeit geschaffen, nachträglich wesentliche Anleihebedingungen zu ändern. Auf Grundlage des SchVG können Emittenten von Anleihen nach deutschem Recht zum Zeitpunkt der Begebung einer Anleihe vorsehen, dass die ursprünglichen Bedingungen durch einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss der Gläubiger im Rahmen einer organisierten Gläubigerversammlung geändert werden können. Den Emittenten steht somit die Möglichkeit offen, zu jedem Zeitpunkt nach Begebung einer Anleihe und unabhängig von einer bevorstehenden Krise wesentliche Änderungen in den Gläubigerrechten durch Abstimmung umzusetzen. Zu diesen Änderungsgegenständen zählen bspw. Forderungsverzichte, Rangänderungen, Stundungen oder sogar ein Debt-to-Equity-Swap. Auf diese Möglichkeiten muss jedoch bereits bei der Emission im Wertpapierprospekt hingewiesen werden. So findet sich auch bei der Mehrzahl der in den letzten Jahren emittierten Anleihen nach deutschem Recht dieser Verweis. Auch bei den Mittelstandsanleihen ist der Verweis auf das SchVG im Wertpapierprospekt üblich geworden. Sollte es später zu einer Gläubigerversammlung kommen, so ist die Beschlussfähigkeit gegeben, wenn mindestens 50% des Anleihekapitals bei der ersten Gläubigerversammlung anwesend sind (Mindestquorum). Ferner bedarf es wiederum einer 75%igen Mehrheit der anwesenden Stimmen, um wesentliche Anleihebedingungen zu ändern. Sollte die Anwesenheitsschwelle von 50% auf der ersten Gläubigerversammlung nicht erreicht werden, so reduziert sich das Quorum bei der zweiten Versammlung auf 25% des Anleihekapitals. Für Anleihen, die vor dem Inkrafttreten des SchVG emittiert worden sind, besteht die Möglichkeit eines „Opt-in“.

In der jüngsten Praxis zeigen sich jedoch zwei Regelungen des SchVG als kritisch: Zum einen wird die Möglichkeit eines „Opt-in“ gemäß § 24 Abs. 2 SchVG bei Anleihen mit ausländischem Recht strittig ausgelegt. So führte die Entscheidung des LG und des OLG Frankfurt (Beschluss vom 27.3.2012), dass das SchVG nur für Anleihen mit deutschem Recht anwendbar ist, im Fall Pfleiderer und indirekt auch Q-Cells zum Scheitern ihrer Sanierungsbemühungen. Ebenso stellt sich das geltende Anfechtungsrecht von Beschlüssen gemäß SchVG als sanierungsuntauglich dar, da Anfechtungsklagen die Umsetzung von mehrheitlich beschlossenen Änderungen der Anleihebedingungen dauerhaft blockieren können. Damit wird professionellen Klägern die Möglichkeit geebnet, das Unternehmen analog zur Vorgehensweise in Hauptversammlungen zu erpressen. Die jüngsten Beispiele dafür sind wiederum Pfleiderer und Q-Cells, wo einzelne Gläubiger gegen die mehrheitlich beschlossenen Sanierungsmaßnahmen klagten. Am Ende gingen beide Gesellschaften in die Insolvenz.

Wie diese Beispiele zeigen, ist die Anwendung des SchVG nur sinnvoll, wenn in einer Notsituation das Unternehmen die auf der Gläubigerversammlung beschlossenen Sanierungsmaßnahmen auch zügig umsetzen kann. Durch missbräuchliche Klagen kann ein notwendiger Sanierungsversuch leicht blockiert werden. Dies kann dem gutgemeinten Gläubigerschutz sicherlich nicht dienen. Hier muss der Gesetzgeber ähnlich wie im Aktienrecht ein verkürztes Eilverfahren einführen, wofür ein Gesetzesentwurf bereits existiert. Zugleich muss auch klargestellt werden, dass die Auslegung der Frankfurter Justiz im Falle Pfleiderer nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein kann und das SchVG auch für Anleihen deutscher Emittenten mit ausländischem Recht Anwendung findet.

Die Novellierung des Schuldverschreibungsrechts war ein richtiger und wichtiger Schritt, der auch den Boom im Mittelstandsanleihenmarkt mit derzeit über 50 Anleihen und 2,5 Mrd. EUR Emissionsvolumen mitauslöste. Vereinfachungen und Anpassungen sind notwendig, um noch flexibler im Interesse der Unternehmen und letztlich auch deren Stakeholder reagieren zu können.

 

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