Ist nun, nachdem sich renommierte Volkswirte, Zentralbanker, Politiker und andere Experten vergeblich bemüht haben, den Euro stark zu reden, das letzte Pulver verschossen? Oder hat der oberste Währungshüter der EZB, der Niederländer Wim Duisenberg, noch ein paar Pfeile im Köcher?

Um diese Frage zu klären, sollte man sich zunächst einmal den Auftrag der EZB vor Augen führen. Oberstes Ziel der Notenbankpolitik ist die Wahrung des Preisniveaus. Zu diesem Zweck analysieren die Volkswirte der EZB verschiedene Indikatoren, die als Signale für erforderliche geldpolitische Maßnahmen dienen. Das Geldmengenziel steht bei der EZB dabei als Indikator gleichwertig neben anderen Faktoren wie Wachstum und Lohnentwicklung. Die Geldmenge ist zwar in den vergangenen Monaten über den vorgesehenen Korridor hinaus angewachsen. Auch der Anstieg des Bruttoinlandproduktes und das Niveau der bisher verabschiedeten Lohnrunden deuten auf gewisse Inflationsgefahren hin.

Hier offenbart sich das eigentliche Problem: Die Informationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit der EZB ist nach Ansicht vieler Marktteilnehmer nicht sehr transparent. Die genaue Berechnung und Gewichtung der Indikatoren bleibt ebenso geheim wie der Verlauf der Abstimmungen. Vor allem vermißt man in den wenigen Publikationen klare Aussagen über zukünftige Entwicklungen und Strategien. Bisher hat sich der EZB-Rat auf diesem Gebiet nicht durch besonders visionäre Aussagen hervorgetan, außer daß er den Euro für unterbewertet hält und demnach deutliches Aufwertungspotential sieht. Der Kern der Euro-Schwäche liegt daher neben den offensichtlichen ökonomischen Gründen, wie dem höheren Wachstum und Zinsniveau in USA, vor allem in psychologischen Faktoren: Die EZB hat es von Anfang an versäumt, ihre „Story“ anlegergerecht zu verpacken und sich selbst richtig zu vermarkten! Diese Erkenntnis mag recht simpel erscheinen, sie trifft aber im Kern genau das, was die professionellen Marktteilnehmer erwarten.

Darüber hinaus fehlt eine Gallionsfigur vom Schlage eines Alan Greenspan, dessen Worten man lauscht und jede Silbe interpretiert, und sei sie noch so nichtssagend. Die Verdienste eines Wim Duisenberg sind unbestritten, doch welches Gewicht hat seine Stimme in einem Gremium, dessen Mitglieder immer auch nationalen Interessen unterliegen und darüber hinaus auch mehr oder weniger gekonnt ihre eigenen vertreten! Es vergeht kaum ein Tag, an dem sich nicht ein anderes Direktoriums- oder Ratsmitglied der EZB oder gar der assoziierten nationalen Notenbanken mit seiner persönlichen Meinung zu Wort meldet. Wie heißt es doch so schön: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold! Manchmal stünde den Notenbankern daher etwas mehr Zurückhaltung gut zu Gesicht. Es reicht, wenn sich wie bei der Fed oder früher der Bundesbank eine Person zu geldpolitischen Maßnahmen äußert, und dies sollte entweder der Chefvolkswirt oder besser noch der Präsident sein. Herr Duisenberg wäre demnach gut beraten, einmal intern auf den Tisch zu hauen und seinen Kollegen etwas mehr Disziplin in puncto unbedachte Äußerungen aufzuerlegen. Wahrscheinlich könnte dies erheblich zur Beruhigung der aktuellen Hysterie an den Märkten und zum allmählichen Aufbau von Vertrauen in die Arbeit der EZB beitragen. An der Entwicklung des Euro wird sich daher zeigen, ob die EZB wirklich die Reife besitzt, als eine Einheit aufzutreten und ihrem Präsidenten an den Finanzmärkten das erforderliche Gewicht zu verleihen.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint Börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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