Die Globalisierung hat hierzulande kein besonders gutes Image, obwohl die Bundesrepublik nicht zuletzt als Exportweltmeister per Saldo auf der Siegerseite steht. Doch bei den Menschen kommt in der Wahrnehmung etwas anderes an: Hedge-Fonds, die Firmen zerschlagen und Arbeitsplätze vernichten; Vorstandschefs, die sich hemmungslos bereichern, von den Arbeitnehmern aber verlangen, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten; Politiker, die dem ganzen denkbar hilflos gegenüber stehen.

Es herrscht ein beträchtliches Globalisierungs-Unbehagen in diesem unseren Land, und das muss viel  ernster genommen werden als bisher. Vom Staat, aber auch den Unternehmen, insbesondere im Finanzsektor. Denn Globalisierung wird häufig mit Heuschrecke gleichgesetzt. Von Politik und Strafverfolgungsbehörden ist in dieser Hinsicht wie zu erwarten nichts zu erwarten. Die Razzia der Bundesstaatsanwaltschaft gegen behauptet militante Globalisierungsgegner folgt den üblichen Reflexen. Das System hyperventiliert, wenn Bedenken aufkommen, nicht alles unter Kontrolle zu haben. Global denken – lokal kriminalisieren, das schürt erst recht die Gegnerschaft und ist von daher denkbar wenig zielführend.

Natürlich müssen die Gipfelteilnehmer geschützt werden. Aber deshalb ist es keineswegs notwendig, den Rechtsstaat mit dem Terrorismusbegriff zu strapazieren und die verfassungsmäßigen Rechte wie Demonstrationsfreiheit mit allerlei juristischen Feinheiten zu behindern. Feinheiten, die bislang noch immer von den Gerichten ganz überwiegend kassiert worden sind – vom Demonstrationsverbot in Wackersdorf bis zum Hamburger Kreisel. Whyl, Grohnde, Wackersdorf, Startbahn West reloaded – lernt denn die Staatsmacht nie dazu? Am Ende wachsen noch bei jenen, die wissen, dass sie von der Globalisierung profitieren, die Vorbehalte. Motto: Globalisierung o.k. – aber nicht um den Preis, dass unser Rechtsstaat und die verfassungsmäßigen Rechte bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt werden.

Notwendig ist vielmehr ein möglichst breiter, möglichst offener Diskurs über das Wesen der Globalisierung, ihre Chancen und Risiken und der – nach Lage der Dinge begrenzten – Möglichkeiten der Einflussnahme aus deutscher Sicht. Globalisierung bedeutet Chance auf Wohlstand, Chance auf Freiheit, Chance auf Demokratie für Milliarden von Menschen, die diese Chancen sonst nie hätten. Zu fordern, dass diese Chancen wirklich wahrgenommen werden können, dass noch viel mehr Menschen als bisher von der Globalisierung profitieren, ist ein ausgesprochen wichtiges Anliegen der Globalisierungskritiker, die sich in ihrer Mehrzahl ja nicht gegen die Globalisierung als solche, sondern gegen deren Auswüchse und offensichtliche soziale Schieflagen wenden.

Vor kurzen sind die deutschen Autobauer von der Klimadiskussion hinreichend kalt erwischt worden. Ähnliches könnte Parteien und Unternehmen, nicht nur im deutschen Maßstab, demnächst in der Frage der Globalisierung und der Regelung internationaler Finanzmärkte passieren. Denn auch in den Zeiten der Globalisierung gelten noch die Erkenntnisse vergangener Epochen, etwa die von Victor Hugo: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

Stefan Preuß

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