Was High-Tech-IPOs angeht, so konnte Goldman in den vergangenen Jahren mehrere spektakuläre Deals an Land ziehen. Das Unternehmen managte die Neuemissionen von eBay, Exodus, Fantastic, Palm und Yahoo! und war auch für die Börseneinführung von Microsoft verantwortlich. Durch die Abwicklung von 74 Technologie-Neuemissionen während der letzten drei Jahre ist Goldman neben Morgan Stanley (die schon wegen ihrer Staranalystin Mary Meeker eine Reihe IPOs an Land ziehen) eine der führenden Konsortialbanken für Technologie-IPOs. Was Goldman sich allerdings unlängst bei der Emission von World Online erlaubte, war alles andere als professionell.

World Online, der größte niederländische Internet Provider, der Mitte März an die Börse ging, hatte nämlich alles andere als einen erfolgreichen Start. Von 43 Euro zur Emission auf 15 Euro heute, so lautet die bittere Bilanz der World Online-Aktionäre. Der Grund: Nina Brink, die Unternehmenschefin, verkaufte den Großteil ihrer eigenen Aktien (6 % an World Online) drei Monate vor dem IPO an andere Unternehmen, als angeblich „noch kein IPO geplant war“. Diese Tatsache war im Emissionsprospekt dargelegt, doch viele Investoren hatten wohl das Kleingedruckte übersehen. Was nicht im Prospekt zu lesen war, war allerdings viel entscheidender: Baystar Capital, der größte Abnehmer der World Online-Aktien von Frau Brink, ging keinerlei Lock-up-Vereinbarung ein. Baystar verkaufte gleich am ersten Tag 12 Mio. Aktien, und seitdem gab es eine kräftige Talfahrt für World Online. Als dann auch noch bekannt wurde, zu welchem Preis Frau Brink damals ihre Aktien loswurde, war die Katastrophe perfekt: 6,04 Euro!!! So viel war ihr World Online also drei Monate vor dem Börsengang wert.

Die beiden Konsortialführer ABN Amro Rothschild und eben Goldman Sachs mußten deshalb heftige Kritik einstecken. Sie, so die wütenden Aktionäre, hätten doch wenigstens auf das Fehlen einer Verkaufsbeschränkung für Baystar aufmerksam gemacht werden müssen. In den Niederlanden sind Untersuchungen angelaufen. Die Zentralbank untersucht die Rolle ABN Amros genauer, und auch die Amsterdamer Börse, die den Emissionsprospekt akzeptierte, wird sich kritischen Fragen stellen müssen.

Für Goldman war es schlimm genug, daß sich wütende Aktionäre über diesen Schnitzer aufregten, schlimmer noch war aber die Tatsache, daß nun auch von anderer Seite unangenehme Fragen zu dem besagten IPO gestellt wurden. Die japanische Regierung hat nämlich einen lokalen Goldman-Vertreter heranzitiert, der zu dem IPO Stellung nehmen soll.

Auch in Japan hat sich Goldman nämlich zur führenden internationalen Investmentbank gemausert und hat daher von der dortigen Regierung in den letzten Jahren hochkarätige Aufträge erhalten. Zu nennen sind hier die Emission des Telekomgiganten NTT und dessen Mobilfunksparte NTT DoCoMo. Japans Finanzminister denkt nach dem World Online-Debakel nun darüber nach, Goldman von zukünftigen Geschäften auszuschließen.

Ob es nun tatsächlich so weit kommt, ist aber keineswegs klar. Für Goldmans Ruf ist das Desaster allerdings perfekt. Anleger können aus dem Fall World Online ein paar lehrreiche Schlüsse ziehen. Zum einen: Lesen Sie den Emissionsprospekt gründlich (zugegeben: auch erfahrene Anleger haben bei World Online nicht richtig hingesehen!). Zum anderen: Vertrauen Sie nicht blind auf den Ruf und die Expertise von Investmentbanken. Das World Online-IPO war das niederländische Äquivalent zu T-Online. Mit riesigem Marketingaufwand wurde die Emission angepriesen und war vielfach überzeichnet. Daß Marketing nicht gleich Unternehmenserfolg ist, das ist die dritte Lektion, die uns unter anderem auch Lastminute.com und Lycos Europe gelehrt haben.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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