Wie also sind die nurmehr etwa 33 % für die Christdemokraten zu erklären? Offensichtlich dämmert es einer wachsenden Zahl von Wahlberechtigten, dass die Reformbemühungen der Regierung Schröder, zusammengefasst unter dem Schlagwort „Agenda 2010“, bei aller Unvollkommenheit in der handwerklichen Umsetzung, Schlagwort Hartz IV, doch in die richtige Richtung gegangen sind. Jetzt werden die Früchte jener Anstrengungen geerntet, die seit drei Jahren geleistet wurden.

Das hilft dem Altkanzler zwar auch nicht wirklich und schon gar nicht zurück ins Amt, wirft aber eine wichtige Frage auf: Wie gehen Politiker zukünftig mit der Tatsache um, dass echte Reformbemühungen in der Regel Stimmen kosten, die durch die verzögerte Wirkung der Reformen durchaus in Wahlniederlagen münden können, so dass der politische Gegner von den für den Wahlbürger schmerzhaften Weichenstellungen profitiert?

Die Regierenden von heute haben dabei an zwei Fronten zu kämpfen: Der Wähler muss überzeugt werden, und fast schwieriger noch: die eigenen, ambitionierten Parteifreunde. Gerhard Schröder hatte massiven Widerstand, auch und gerade in der Bundestagsfraktion, zu überwinden. Angela Merkel sieht sich einer selbstbewussten Riege von Ministerpräsidenten gegenüber, in der jeder für sich nach dem alten Franz-Josef-Strauß-Motto verfährt: Mir doch egal, wer unter mir Bundeskanzlerin ist.

Das macht die Regierungsarbeit nicht leichter und tendenziell auch weniger durchschlagend, weil Große Koalition ja auch immer kleiner Kompromiss bedeutet. Deutschland braucht aber ein Fortsetzen der Reformen, denn bei aller Freude über das derzeitige Wachstum: 2,3 oder 2,4 % sind angesichts der Chancen, die die Weltkonjunktur seit vier Jahren mit Wachstumsraten von etwa fünf Prozent bietet, nicht eben weltmeisterlich.

Gefragt sind also Entscheidungen, die eine klare Reihenfolge kennen: Erst das Land, dann die Partei, dann die Person. Es würde den Standort Deutschland stärken, wenn das in München, Stuttgart, Wiesbaden, Saarbrücken und Hannover auch so gesehen würde.

Stefan Preuß

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