Alle Welt zeigt mit dem Finger auf die Wolfsburger. Schwarze Kassen, Vorteilsannahme, Bestechung, Bordellbesuche – kurz: der übliche Sumpf der üblichen Verdächtigen, also jener „da oben“, wie der Volksmund so schön formuliert. Vorstandschef Bernd Pischetsrieder sieht ein ernstes Imageproblem.  Gazetten und Politiker überbieten sich in ihrer Forderung nach Aufklärung, brutalst möglicher natürlich. Schon fordert der Professor Dudenhöfer, der immer mit einer schlauen Bemerkung wie das Teufelchen aus der Kiste springt, wenn es um das Thema Auto geht, den Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piech.

Gemach, möchte man den Kritikern zurufen: Ständig wird an den Gewerkschaften rumgemäkelt, sie würden mit überhöhten Lohnforderungen und der Weigerung zu flexiblen Lösungen den Aufschwung in Deutschland bremsen. Quasi die Unternehmen über den Weg der Mitbestimmung in einem Akt ständiger Verbohrtheit an den Rand des Ruins drängen. In Wolfsburg ist es gelungen, ganz ohne krachende Rhetorik gegen Arbeitnehmervertreter zu ebenso wegweisenden wie gewinnbringenden Lösungen zu kommen. Das ist clever, das ist smart, Hut ab.

Von einem sechsstelligen Betrag ist die Rede, die Luxusreisen mit den „Annehmlichkeiten“ am Rande an Kosten verursacht hätten. Schon mal ausgerechnet, was ein einziger Tag Streik kostet? Piech, der alte Fuchs, hat sich nicht mit den Gewerkschaftern gestritten, sondern sie umgarnt und so für gewisse Vorstellungen empfänglich gemacht. Das ist zugegebenermaßen einfach in einer Stadt wie Wolfsburg, in der es entweder regnet oder die Bahnschranken unten sind, aber dennoch genial. Wer fliegt da nicht gerne weg?

Guido Westerwelle und andere können so richtig was lernen: die Macht der Gewerkschaften brechen, Mitbestimmung kippen und so fort? Von wegen. In Wolfsburg lacht man nur über solche Strategien, die viel Gegendruck und Reibungsverluste erzeugen. Gut geschmiert läuft einfach, wer sollte das besser wissen als Automobilingenieure? So gesehen wäre die Wolfsburgerisierung der Gepflogenheiten in Großunternehmen fast schon wünschenswert. Arbeitgeber und Arbeitsnehmer ziehen an einem Strang – da muß der Aufschwung doch kommen.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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