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Die Erinnerungen an den Neuen Markt sind noch halbwegs präsent, die Erinnerungen an seine Unternehmen dagegen oft schon fast ausgelöscht. Das einzige, was haften bleibt, sind Attribute. EM.TV? Ach die, mit dem unglaublichen Kursplus, das bei den meisten nicht mehr war als ein vorübergehender Buchgewinn und letztlich ein herber Realverlust. Und Infomatec? Das einzige, was die Erinnerung in diesem Fall preisgibt, ist der Anleger-Betrug, durch den Infomatec zusammen mit Metabox für noch weit mehr Aufsehen sorgten als mit ihren unternehmerischen Luftschlössern.

Infomatec hatte sich das Geschäft mit Settop-Boxen auf die Fahnen geschrieben und phantasierte unermüdlich und mit großer Überzeugungskraft von einer strahlenden Zukunft. Damit das auch wirklich jeder Anleger glaubte, untermauerten die Vorstände Gerhard Harlos und Alexander Häfele ihre Phantasien mit reißerischen Ad hoc-Meldungen, deren Wahrheitsgehalt nicht einmal sekundär war.

Viele Anleger fielen auf die Lügen der beiden Infomatec-Vorstände herein und trieben den Kurs in beachtliche Höhen, womit der Plan von Harlos und Häfele aufging. Sie verkauften ihre Aktien in den Boom hinein und wurden über Nacht zu reichen Männern. Weil sich aber ein Geschäft, das auf Unwahrheiten fußt, nicht ewig hält, ging es mit Infomatec schnell den Bach runter. Im Frühjahr 2001 war Schluß mit dem Unternehmen, den Anlegern war ein geschätzter Verlust von stolzen 250 Mio. Euro entstanden und schnell war klar, daß Häfele und Co alles andere als eine weiße Weste besaßen. Vorgeworfen wurde ihnen nicht weniger als Gründungsschwindel, Insiderhandel, Kapitalanlage- und Kursbetrug. Über 40 Mio. DM in Form von Immobilien und Wertpapierdepots beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft aus dem Besitz der beiden Ex–Vorstände. In den Ruin trieb sie das freilich nicht, immerhin konnten sie noch die 375.000 Euro Kaution für die U-Haft auftreiben. Auch die 50.000 Euro, die sie in einem verlorenen Prozeß einem Anleger für dessen Verlust erstatten mußten, konnten sie stemmen.

Bei dem – zumindest für Harlos – nun abgeschlossenen Prozeß aber demonstrierte das Landgericht Augsburg größtmögliche Härte, schließlich ging es auch um die Verluste der vielen geprellten Anleger und die Glaubwürdigkeit des Finanzplatzes. Augsburg statuierte also ein Exempel und folgte in seinem Urteil dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft, die sich zuvor mit der Verteidigung abgesprochen hatte. Das Urteil: zwei Jahre auf Bewährung und 9.000 Euro Strafe, zahlbar in 180 Tagessätzen zu 50 Euro. Damit war die Klage wegen Insiderhandels abgehakt, und weil die Vorwürfe des Kapitalanlage- und Kursbetrugs parallel fallen gelassen wurden, ist Harlos damit seine Gerichtstermine komplett los.

Starker Tobak finden wir und haben nur eine Erklärung. Entweder ist Harlos mittlerweile vollkommen verarmt, was als eher unwahrscheinlich einzustufen ist, oder aber dem Landgericht Augsburg war die Tragweite der Betrügereien nicht wirklich klar bzw. der 250 Mio. Euro schwere Kontext wurde kaum ins Kalkül gezogen. Wie auch immer: 9.000 Euro Strafe für 250 Mio. Euro angerichteten Schaden ist ein Schlag ins Gesicht für jeden geprellten Anleger und eine Ermunterung für jeden potentiellen Anlage-Betrüger. Ein Exempel hätte anders ausgesehen.

Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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