Angenommen Sie freuen sich über die strahlende Sonne und die Wärme, die beim Besuch im Biergarten das Tüpfelchen auf dem „i“ sind, dann sehen diese notorischen „Schwarzseher“ ihren Einsatz gekommen und lassen sich hemmungslos über den schädlichen Einfluß von UV-Strahlen und Ozon aus, beklagen die hohen Bierpreise genauso wie den Lärm und wären eigentlich am liebsten zu Hause geblieben.

Wir wollen an dieser Stelle keine psychoanalytische Abhandlung beginnen und uns über schwere Kindheiten oder ähnliches als mögliche Verhaltensursachen auslassen. Allein das Phänomen „Schwarzseher“ soll uns aus gegebenem Anlaß interessieren. Thema ist die volkswirtschaftliche Entwicklung und dabei insbesondere das heiße Eisen Wachstum und Inflation.

Man sollte meinen, derzeit sei alles in Butter. Die deutschen Exporte laufen wie geschmiert, die Inlandsnachfrage fängt an, vom Aufschwung zu profitieren und die Zahl der Arbeitslosen ist unter die 4 Mio.-Marke gesunken. Zumindest in der westdeutschen Wirtschaft ist die Stimmung so gut wie seit langem nicht mehr. Um auch weiterhin ein möglichst inflationsfreies Wachstum zu ermöglichen, erhöhte die EZB erst Anfang Juni den Leitzins auf nun 4,25 %. Dieser Aufschwung nach Maß aber scheint die Spielverderber ordentlich zu wurmen. Vor einer Rückkehr der Inflation warnen sie nun mit sorgenfaltiger Stirn. Natürlich, nur auf die Inflationsrate zu blicken, die im Juni bei 1,9 % lag, und anschließend in schallendes Gelächter ob des warnenden Zeigefingers auszubrechen, wäre die falsche Reaktion. Betrachtet man lediglich die Teuerungsrate von Mai (1,4 %), den Anstieg zum Vorjahreswert (2,7 %), oder gar das Tempo des Preisanstiegs in so manch anderem EU-Land, dann könnte man den weiteren Inflationstendenzen skeptisch entgegenblicken.

Das aber wäre keine optimale Entscheidungsgrundlage. Maßgebend für die richtige Einschätzung ist vielmehr der Blick auf die tatsächlichen Ursachen des Inflationsanstiegs. Das ist nicht etwa eine sich überhitzende Konjunktur – die moderate Lohnentwicklung wie auch die noch nicht ausgelasteten Produktionskapazitäten sprechen eindeutig dagegen – sondern vielmehr der starke Anstieg der Energiepreise, der vom schwächelnden Euro noch verstärkt wurde.

Beides aber sollte sich nun zum Positiven wenden. Die OPEC-Länder haben eine Anhebung der Fördermengen beschlossen und der Euro hat sich, auch aufgrund der Zinsanhebung, auf den Weg in höhere Gefilde gemacht. Ein angsteinflößender Anstieg der Inflation dürfte also vorerst ein bloßes Hirngespinst bleiben. Der Ruf nach einer weiteren Zinsanhebung wäre damit nur noch ein folgenschwerer Schritt in die falsche Richtung.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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