Am Anfang der heftigen Phase der derzeitigen Finanzkrise hat die Politik hierzulande einen hervorragenden Eindruck gemacht. Wie ist doch stets auf die Politik geschimpft worden, dass sie nicht bewerkstelligt und sich im politischen Streit selbst lähmt. Doch wenn dann einmal richtige Herausforderungen kommen, dann reagiert sich beispielhaft.

So bei der Deutschen Einheit, bei der sofort unkonventionelle Maßnahmen eingeleitet wurden, so dass das Land diesen historischen Einschnitt, an dem andere Länder sicher gescheitert wären, bestmöglich durchschiffen konnte. So auch zum Anfang der augenblicklichen Finanzkrise, wo es gelang, innerhalb nur einer Woche ein 400 Mrd. Euro Rettungsprogramm auf die Beine zu stellen und durch das Parlament zu pauken. Das war wirklich sensationell.

Doch von da an verließen sie sie. Seitdem die Gefahr des Meltdown gemeistert ist, und wir nunmehr mit einer ganz „normalen“, aber durchaus heftigen Rezession konfrontiert sind, fällt die Politik in ihre alte Starre zurück. Was die Kanzlerin bewogen hat, in einer derartig psychologisch labilen Situation die Deutschen auf ein schweres Jahr 2009 einzuschwören, weiß sicherlich nur sie alleine. So etwas macht man gemeinhin nur, wenn harte Sanierungsschritte anstehen. Doch davon ist gegenwärtig nichts zu sehen.

Es ist daher – im wahrsten Sinne des Wortes – der größte Bärendienst, den die Kanzlerin ihrem Land mit diesen Worten erwiesen hat. Jetzt, wo es gilt, nicht in Schwermut zu versinken, wo die Fakten noch gar nicht so schlecht sind, die Psychologie jedoch verheerend schwarz, ist es das Schlimmste, was man tun kann. Will sie damit sich einmal im Antlitz der Geschichte sonnen, dass sie es ja gleich gesagt habe?

Ein Verbrechen ist es auch fast, jetzt über Steuersenkungen im Jahr 2010 zu reden. Wir fahren jetzt in den Keller! Jetzt! 2010 ist es zu spät. Da brauchen wir keine Steuersenkungen mehr. Dann soll man lieber gar nichts machen, denn Steuersenkungen für die Zukunft anzukündigen, führt nur zu weiteren Verschiebungen aller Ausgaben und Investitionen. Es kann beinahe nicht wahr sein, was sich hier abspielt. Schauen wir doch lieber auf die pragmatischen Briten.

Und auch die EZB fügt sich nahtlos in das grauenvolle Bild ein. Jetzt die Zinsen nur zaghaft zu senken, für die Zukunft jedoch weitere Zinssenkungen in Aussicht zu stellen, führt ebenfalls zu Verschiebungen in die Zukunft. Man müsste vielmehr das genaue Gegenteil machen: Sofort die Zinsen radikal herunter. Radikal! Und dann, ab Mitte nächsten Jahres wieder anziehen. Das setzt die richtigen Zeichen: Los, Beeilung, jetzt investieren und nicht später. Billiger wird es nicht, sondern wieder teurer.

Man kann also nur neidvoll in die USA schauen. Barack Obama wird hier zum Hoffnungsträger der ganzen Welt. Er ist noch nicht im Amt – und trotzdem ist da schon ein riesiges Konjunkturprogramm. Und es herrscht eine Aufbruchsstimmung. Es werden also wieder einmal die USA sein, die zwar die Krise hauptsächlich verursacht haben, uns aber retten können und werden. Wir zögerlichen europäischen Prinzipienreiter sind dazu anscheinend einfach nicht in der Lage. Trotz der vereinzelten Sternstunden, die wir auch hier erleben dürfen.

Bernd Niquet

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