So entstand auch in den Jahren vor der aktuell hereingebrochenen Finanzmarktkrise ein Überfluss an Liquidität, der dazu benutzt wurde, das vorangegangene Platzen der Börsenblase zu Beginn des Jahrtausends mit neuerlichen Marktübertreibungen vergessen zu machen.

Nach dem Einbrechen der Börsen im Zuge der Dotcom-Blase hatte die FED den US-Leitzins binnen weniger Monate von über 6 auf 1% gesenkt. Die US-Notenbank, sah sich gezwungen, durch niedrige Zinsen den Geldfluss und die Investitionstätigkeit der Wirtschaft in Gang zu halten. Die Verbilligung des Geldes sollte einer möglichen Rezession und deren Folgen entgegen wirken. Das gelang auch vorerst. Verfehlt aber wurde die Eindämmung weiterer Übertreibungen, man befeuerte das nächste Fieber und die Temperatur des Patienten, die der auf Schulden fußenden US- und damit letztlich auch der Weltwirtschaft stieg an. Jüngster Krankheitserreger war der US-Immobilienmarkt, der letztlich einen Flächenbrand in der gesamten Finanzbranche ausgelöst hat.

Das billige Geld nämlich diente in großem Maße dazu, dass quasi jedermann der Traum von der eigenen Immobilie finanziert wurde. Das dafür benötigte Kapital wurde bereitwillig in der Gewissheit hergegeben, die daraus resultierenden Risiken in Form undurchsichtiger Verbriefungspakete schnell wieder abstoßen und somit das Streben nach Maximalrenditen leicht befriedigen zu können.

Das Spiel ging einige Zeit lang gut, doch die Zinsen – im Grunde immer nur eine Frage der Zeit – stiegen wieder an, um die durch gestiegene Energie- und Vermögenspreise bedingte Inflation in den Griff zu bekommen. Damit sollte jener durchgegangene Gaul gezügelt werden, dem man selbst die Sporen gab. Unwidersprochen sind konjunkturelle Schwankungen normal, auf Aufschwung folgt in regelmäßigen Abständen Flaute. In der Flaute, muss dann der Gürtel enger geschnallt werden. Problematisch ist das aber dann, wenn der Gürtel ins Leere greift, weil die Hose fehlt. Will heißen, dass eine Katastrophe nach gesunder Logik vorprogrammiert ist, wenn der Aufschwung faktisch rein schuldenfinanziert war. Wenn sich die temporären Vermögenspreise, die zur Deckung des angewachsenen Schuldenbergs gedient haben, in Luft auflösen, ist das Desaster perfekt. Der einverleibte Konsum ist nicht mehr rückwirkend zu Geld zu machen, die Schulden aber bleiben.

An den jüngsten Geschehnissen wurde offensichtlich, dass der Mechanismus krankt: Die Geldpolitik soll auf die realwirtschaftlichen Güterströme Einfluss nehmen, diese leiten, lenken und nach konjunktureller Gemütslage ihr dienende Investitionstätigkeiten anstacheln oder bremsen, Preistreiberei in Grenzen halten, gleichsam Wirtschaftswachstum und Produktivität stabil halten und nicht zuletzt für ein gesundes Maß an Beschäftigung sowie ein angemessenes Lohnniveau sorgen. In der Tat kein leichtes Unterfangen und folglich reicht das Herab- oder Heraufsetzen von Zinssätzen alleine nicht aus, um der Komplexität volkswirtschaftlichen Treibens Herr zu werden. Ob die Geldpolitik angesichts der vielschichtigen wie sensiblen Globalisierung ihrer Lenkungsfunktion noch nachkommen kann, sei einmal dahingestellt. Momentan scheint sie ihr jedoch abhanden gekommen zu sein. Festzuhalten bleibt, dass die Notenbanken zur Zielerfüllung auf einen Intermediär angewiesen sind: vornehmlich auf die Kreditinstitute eben, die gerade in jüngster Zeit den Anschein erweckt haben, sich von der realen Wertschöpfung abgekoppelt zu haben.

Deren von Fehlallokation der Geldströme begleitete Gier und Kurzsichtigkeit, die auch mittellose Bürger in den Sog des auf Fremdfinanzierung fußenden Wohlstands auf Zeit zogen, um letztlich auf Kosten deren Existenz Geld an sie auszureichen, sind eine Perversion der eigentlichen Motive der Geldversorgung. Die Geldhäuser, deren Handeln durch einen Mix aus Gier, eine viel zu laxe Kreditvergabepraxis, die Beleihungsmöglichkeit fiktiver Immobilienwerte zum sofortigen Konsum der Schuldner und inadäquater Regulierung begünstigt wurde, haben nun eine gravierende Vertrauenskrise ausgelöst. Gerade jene, welche quasi in hoheitlichem Auftrag für die Systemstabilität und das Vertrauen in einen funktionierenden Kapitalmarkt zu sorgen haben.
Auch in Zeiten findiger Kapitalmärkte gilt eine grundlegende Prämisse weiterhin: Werte müssen erst geschaffen, Vermögen erst verdient werden, um deren Früchte zu genießen. Der Ruf des „schnellen“ Geldes und dessen Zufriedenstellung hat sich bedenklich von den realwirtschaftlichen Fakten entfremdet. Die Frage, wer bezahlt und woher Verdienst kommt, werden zwangsläufig wieder in den Fokus rücken müssen. Wenn letztlich die Erkenntnis reift, dass Vermögensaufbau ohne Leistung und Eigenkapital nicht zu bewerkstelligen ist und letzteres wieder in ein plausibles Verhältnis zur Verschuldung gesetzt wird, dann wird die aktuelle Krise hilfreich gewesen sein.

Markus Lenzbauer

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