So trocken der Anlaß ist, so spannend und schillernd ist das Umfeld. Es versprechen heiße Tage im kühlen November zu werden, wenn den Gebrüdern Haffa in Sachen EM.TV vor dem Landgericht München der Prozeß gemacht wird. Es ist mit Publikumsandrang zu rechnen, spätestens – sofern dies überhaupt geschieht – wenn die Haffas einvernommen werden. Wird Bernie Ecclestone als Zeuge vernommen? Werden die Muppets-Opas Walldorf und Stadler in ihrer Loge die Verhandlung mit bissigen Kommentaren begleiten?

Welcher geprellte Anleger erinnert sich nicht an die Auftritte von Thomas und Florian Haffa just vor der Hauptversammlung im vergangenen Jahr? Wie sehr sie vorher öffentliche Auftritte liebten, so vermeiden sie nun Kontakte mit der Öffentlichkeit. Man fühlt sich an die gerne geübte Publizitätsscheu mancher diskreter Multimillionäre erinnert. Zumindest der Vermögensumfang der kurzlebigen Medienzaren entspricht dem Klischee.

Zum ersten Mal muß sich ein Gericht mit dem „Lügenparagraphen“ § 400 AktG befassen, nach dem einem Mitglied von Vorstand oder Aufsichtsrat bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafe drohen, wenn er seine Geldgeber sowie die Öffentlichkeit anlügt, im Amtsdeutsch „die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergibt oder verschleiert“. Eine erstaunliche Premiere für die deutsche Aktienlandschaft, wenn man bedenkt, wie viele Vorstandsaussagen sich als mehr denn bloße Fehleinschätzungen herausgestellt haben.

Man mag Richterin Knöringer nicht beneiden. Ihre Beklagten sind mit gutbezahlten Anwälten bis zur Halskrause bewaffnet, die Klägerseite bildet ein Häuflein vergleichsweise bescheiden besoldeter Staatsdiener. Letztere werden unterstützt durch Scharen von EM.TV-Aktienkäufern, die nach krassen Vermögenseinbußen auch noch Anwaltshonorare vorleisten müssen. Gelingt der Nachweis der Schuld, und urteilt die Richterin recht milde, könnten deutsche Vorstände und Aufsichtsräte noch flexibler im Umgang mit der Wahrheit werden.

Sollen wir einen Blick in die Glaskugel werfen? Zwei Jahre Haft pro Nase, freundlicherweise zur Bewährung ausgesetzt, und 250.000 Euro Bußgeld für mildtätige Zwecke, also etwa so viel, wie ein dreistelliges Millionenvermögen in einem Monat und nach Steuern an Zinsen abwirft. Schon im ersten Quartal des kommenden Jahres wird eine Flut neuer Aktiengesellschaften gegründet werden und an die Börse streben, um dort Kapital einzuwerben.

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Die GoingPublic Kolumne erscheint jeweils montags, mittwochs und freitags in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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