An der Börse fielen die Kommentare dennoch positiv aus: Verlustbringer verkauft, Standortproblem gelöst und so fort. Die Aktie war gesucht. Das ist die komische Logik am Markt der Märkte: Kurzfristig mag sich dies in der Bilanz ab 2006 positiv niederschlagen, und deshalb erscheint die Aktie vielen Investoren kaufenswert. Langfristig aber sieht Siemens doch arg amputiert aus. So breit, wie Siemens nun mal aufgestellt ist, kann man den Verkauf nur als herben Verlust sehen. Nicht nur für das Unternehmen, das mit dem Verkauf eine Stufe abgestiegen ist. Auch für den Standort Deutschland sind das keine guten Nachrichten.

Gut: Waschmaschinen sind ziemlich auskonstruiert und einfach zusammenzubauen, Hemden und Schuhe werden andernorts billiger genäht, und für eine Vielzahl weiterer Produkte mag das auch gelten, und die Abwanderung der Produktion mag schmerzhaft, aber verschmerzbar sein. Jetzt aber auch Handys. Mit technisch führenden Produkten und gutem Design wäre die Entwicklung und Herstellung hierzulande gewinnbringend möglich gewesen. Doch Siemens, das steht für Softwarefehler und das Verschlafen von Trends. Jedenfalls in der Handysparte. Etwa auch in anderen Bereichen?

Mit diesem Vorgang wird ein weiteres Dilemma augenfällig: Die Konzernleitung mag aus ihrer betriebswirtschaftlichen Sicht im Sinne des Shareholder Value logisch gehandelt haben, für die Bundesrepublik aber ist volkswirtschaftlicher Schaden entstanden: Eine mutmaßlich zentrale Zukunftsindustrie könnte vor dem Absprung stehen und damit Tausende von Arbeitsplätzen. Denn die Arbeitsplatzgarantie im Handy-Werk Kamp-Lintfort gilt nur bis 2006. Die Arbeitnehmer werden sich fragen, warum sie fünf Stunden Mehrarbeit pro Woche ohne Lohnausgleich zugestimmt haben, wenn es nun doch so kommt.

Alles in allem ist die Entscheidung eine ziemliche Blamage für den Standort Deutschland und auch das Siemens-Management. Die einzige Hoffnung, die bleibt: BenQ-Manager Lee ist wirklich daran interessiert, eine Betriebsstätte in Europa dauerhaft zu etablieren und in die Gewinnzone zu bringen und nicht, die Übernommenschaften nach deren Ausschlachtung abzuwickeln. Wenn ihm das gelänge, wäre der Vorgang für Siemens doppelt peinlich.

Stefan Preuß

Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

 

Autor/Autorin