Das dürfte ein veritabler Streit werden: EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy mag nicht einsehen, dass nur öffentlich-rechtliche Institute die Marke Sparkasse im Namen nutzen dürfen, und deshalb will er die Bundesregierung zwingen, das Sparkassengesetz zu ändern. Das freilich ist nur ein kleiner Teil der Geschichte. Denn die Aufweichung des Gesetzes in diesem Punkt bedeutete den Anfang vom Ende der gesamten Sparkassen-Organisation. Finden nicht nur die Sparkassen-Granden, die McCreevy mehr oder weniger offen bezichtigen, sich zum Handlager übernahmehungriger Banken zu machen.

Das Ende der Sparkassen als Nachfolger der Witwen- und Waisenkassen vergangener Jahrhunderte wiederum wäre für den Standort Deutschland alles andere als vorteilhaft. Ohne die Sparkassen (und natürlich die Volks- und Raiffeisenbanken) würde die Mittelstandsfinanzierung de facto zusammenbrechen. Denn die großen Privatbanken haben sich aus der Fläche weitgehend zurückgezogen und mittlerweile weder das Netz noch die Mitarbeiter, umfassend in den Niederungen des Kreditgewerbes zu gründeln, wo 20.000 Euro keine Peanuts, sondern der Unterschied zwischen Insolvenz oder Fortbestand sind. Wer mit dem Handwerker von nebenan, dem Besitzer eines Schuhhauses, dem Landwirt, dem Geschäftsführer einer Baufirma oder einem Vertreter einer anderen so genannten Problembranche spricht wird überwiegend an das Bonmot von Bertolt Brecht erinnert, demzufolge es moralisch keinen Unterschied macht, ob man eine Bank eröffnet oder überfällt.

Gut: Banking im globalen Kontext kann kein Hort des reinen Altruismus sein, aber die alleinige Ausrichtung an der Eigenkapitalrendite ist volkswirtschaftlich nicht förderlich. Hier gibt es eine Parallele zur Energieversorgung, bei der die Renditeinteressen einzelner Unternehmen die Entwicklung Tausender anderer Betriebe belasten. Auch zur Grundversorgung breiter Bevölkerungsschichten mit Bankdienstleistungen, zum Beispiel der simplen Eröffnung eines Kontos, sind Sparkassen absolut unverzichtbar. Man stelle sich den Hartz IV-Empfänger im Privatkundenbereich eines beliebigen Privatinstitutes vor. Traurige Geschichte, das.

Mit der alten Tante Sparkasse ist es letztlich wie mit der Klosterfrau: Nie war sie so wertvoll wie heute. Im Gesetz stehen so schöne Dinge drin wie die Erziehung der Jugend zum verantwortungsvollen Umgang mit Geld – ein Aspekt, der in Zeiten, in denen Jugendliche am Handy auf das Übelste abgezockt werden, nicht zu unterschätzen ist. Es wäre schade, wenn die Sparkassen-Philosophie, über Jahrhunderte gewachsen, geopfert würde, um Entscheidungen bei Privatbanken, die sich im Nachhinein als grandiose Management-Fehler herausgestellt haben, auszubügeln. So kann man der Bundesregierung nur wünschen, gute Argumente im heraufziehenden Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof zu finden.

Stefan Preuß

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