Warten Sie am besten noch einen Moment, denn vielleicht rettet sie ein Anruf der 100 %igen Kinowelt-Tochter Sportwelt, die sich mit fast 50 Mio. DM bereits an elf Clubs beteiligt hat. Und mit dem SSV Ulm hat Sportwelt auch bereits den ersten Club aus den Tiefen der Regionalliga in die Bundesliga bringen können.

                               

Beteiligungen werden vor allem an solchen Vereinen eingegangen, die aufgrund einer meist erfolgreicheren Vergangenheit über eine hohe emotionale Bindung zu ihren Fans verfügen. Um das sportliche Geschehen kümmert sich dann eine Spielbetriebs-GmbH, an der zu 50,1 % der bisherige Verein und zu 49,9 % die Sportwelt beteiligt ist. Daneben wird eine Vermarktungs-GmbH gegründet, in der die Vermarktungsrechte für TV, Internet usw. eingebracht werden. An dieser GmbH hält die Sportwelt dann einen Anteil von 74,9 %, die restlichen 25,1 % der Verein. Bei einer (aktuell gegebenen) zentralen Vermarktung der TV-Rechte erhält die Sportwelt 20 % der Einnahmen, bei einer dezentralen Vermarktung 30 %. Die Risiken der Beteiligungen liegen im dauerhaften Ausblieben des sportlichen Erfolges. Durch die Konzentration auf Traditionsvereine ist das wirtschaftliche Risiko für Sportwelt aber als einigermaßen beschränkt anzusehen, da die Fans sehr leidgeprüft sind.

Kinowelt setzt stark auf eine mittelfristig zu erwartende dezentrale Vermarktung der TV-Rechte wie in Spanien oder Italien. Die dortigen Erfahrungen haben gezeigt, daß mit der dezentralen Vermarktung die Einnahmen aus TV-Rechten stark gestiegen sind, insbesondere natürlich bei den sportlich erfolgreichen Clubs und Traditionsvereinen. Und in eben diese Traditionsvereine investiert Kinowelt über die Sportwelt. Das gewählte Stadium "kurz vor dem Konkursrichter" bietet für Kinowelt die Chance, sich zu vergleichsweise günstigen Konditionen an Traditionsvereinen zu beteiligen. Sinn machen diese Investments aber nur dann, wenn der Aufstieg in die 2. Liga oder die Bundesliga gelingt. Die geschätzten 50 Mio. DM, die Kinowelt in alle elf Vereine (sh. Tabelle) investiert hat, entsprechen der Summe, die alleine Borussia Dortmund, mit nicht gerade hohem Erfolg, Anfang der Saison für neue Spieler investiert hat!

                                                                           

Kinoweltchef Michael Kölmel zufolge ist Fernsehen ein „Killergeschäft", da die „Einschaltquote des einen die Nicht-Einschaltquote des anderen ist“. In diesem Kontext betrachtet sind die Investitionen in unterklassige Traditionsvereine günstige Gelegenheiten, an den begehrten Content Fußball zu gelangen. Sollte die dezentrale Vermarktung der TV-Rechte beginnen, wären für regionale Sender selbst TV-Rechte an Traditionsvereinen in der Regionalliga interessant. In Sachen Bundesligarechte hat Kinowelt allerdings zunächst einmal den Kürzeren gezogen. Wie erwartet ging der Zuschlag für die nächsten vier Jahre an die Kirch-Gruppe – zum stolzen Preis von 750 Mio. DM pro Saison (bisher 330 Mio. DM). Dem DFB war Kinowelt wohl ein zu unsicherer Partner, gerade auch in Hinblick auf die vom DFB gewünschte starke Präsenz der Bundesliga im frei empfangbaren Fernsehen. Die „Niederlage“ gegen Kirch dürfte Kölmel aber nur bedingt schmerzen. Denn über den Umweg Sportwelt profitiert das Medienunternehmen vom Deal zwischen Kirch und DFB. Schließlich erhalten nun auch die von Sportwelt vermarkteten Vereine mehr Geld als vorher. Zudem muß sich erst noch zeigen, ob die Pläne von Premiere World aufgehen und Fußball via Pay per view sich tatsächlich als Cash-Cow erweist.

Neben der Möglichkeit, durch die zufließenden Mittel der Sportwelt dem Konkurs zu entgehen, bietet eine derartige Beteiligung noch weitere Vorteile. Mit dem Einstieg der Sportwelt wird vor allem die Vermarktung des jeweiligen Vereins professionalisiert. Weiterhin wird durch die Implementierung eines intensiven Beteiligungscontrollings eine Kostensenkung angestrebt. Da die Kinowelt an den beiden größten Händlern von Fußballfanartikeln, der Brameier Fanworld und der Herlitz Merchandising, beteiligt ist, können hier weitere Synergien genutzt werden. Weiterhin plant die Sportwelt, sich an dem Bau neuer, moderner Stadien z.B. in Ulm, Aachen und Mönchengladbach zu beteiligen. Auch als Lizenzretter für Eintracht Frankfurt ist Sportwelt im Gespräch.

Die beiden Beispiele Aachen und Ulm zeigen aber exemplarisch die Befürchtungen, die viele Vereine hegen. So sind die beiden geplanten Stadienerweiterungen (durch Sportwelt finanziert) heftig umstritten und haben zum Rücktritt von Vereinsfunktionären geführt. Die Vereine fürchten um ihre Eigenständigkeit, da Sportwelt u.a. auch enge Budgetvorgaben macht. So hat z.B. auch der FC St. Pauli trotz akuter Abstiegsgefahr in die Regionalliga und dringend benötigtem Stadionumbaus ein Angebot der Sportwelt auf Beteiligung abgelehnt. Der DFB hat ebenfalls Befürchtungen und will in Zukunft alle Verträge mit Medienunternehmen und anderen Vermarktern vorgelegt bekommen. Neben dem Risiko einer Manipulation von Spielen (allein fünf der elf Beteiligungsvereine spielen in der Regionalliga Nordost) sieht der DFB das größte Problem darin, daß bei einem Ausstieg der Sportwelt die meisten Vereine vor dem Aus stünden. Wo der genaue Unterschied zur Situation vor dem Einstieg allerdings liegt, konnte der DFB bisher nicht klar machen….Daß die Kinoweltgruppe noch über keinen eigenen Fernsehsender verfügt und damit dezentrale TV-Rechte verkaufen müßte, wird von Branchenkennern teilweise kritisiert. Kinowelt sieht hingegen in seiner Unabhängigkeit (im Gegensatz z.B. zur Ufa) Vermarktungsvorteile.

Mit der Beteiligung an unterklassigen Traditionsvereinen erwirbt Kinowelt durchaus begehrten Content zu günstigen Preisen. Dieser Content sorgt aber erst in der Bundesliga oder bei einer dezentralen Vermarktung der Übertragungsrechte für eine hohe Rendite, so daß ein Erfolg des Modells sich erst in einigen Jahren zeigen wird. Zwar herrscht in den meisten Vereinen noch Skepsis gegenüber der Kinoweltgruppe, doch hat bisher mehr Professionalität und Controlling keinem Unternehmen/Verein geschadet. Auch die Bedenken des DFB sind schwer nachzuvollziehen, da das Auftreten eines neuen Medienkonzerns ggü. dem bisherigen Duopol Bertelsmann/Kirch zu begrüßen ist. Insgesamt macht das Sportwelt-Modell einen wirtschaftlich vernünftigen Eindruck und bietet Traditionsvereinen die Möglichkeit, sich schnell aus den verstaubten Vereinsstrukturen zu lösen.

Quelle: GoingPublic Sonderausgabe FUSSBALL-AKTIEN, S. 46. Die insgesamt 128 Seiten umfassende Ausgabe ist seit Mittwoch im Bahnhofsbuchhandel und gut sortierten Zeitschriftenhandel zum Preis von 14,80 DM erhältlich. Im Internet können Einzelhefte unter http://www.goingpublic-online.de/sa bestellt werden. Abonnenten des GoingPublic-Magazins haben die Ausgabe bereits kostenlos erhalten.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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