Die Quotensenkung soll am 1.April wirksam werden, also pünktlich zur wärmeren Jahreszeit. Das zweite Quartal ist traditionell nicht das beste für die Ölindustrie, so daß die vorsorgliche Förderreduktion, obgleich von vielen überrascht aufgenommen, alles andere als überraschend daherkommt. Die typische Reaktion US-affilierter Seiten war, ganz im erforderlichen Wahlkampfjargon: „Das bedeutet, daß die Konsumenten für eine ganze Weile Unmengen von Geld für Kraftstoff berappen müssen.“

Nichts könnte pomadiger erscheinen als das. Erstens ist Benzin in den USA weiterhin spottbillig im Vergleich zu hiesigen Verhältnissen, zweitens könnten sich die bemitleidenswerten amerikanischen Konsumenten beizeiten überlegen, ob man 300 PS Bullpower benötigt, um mit dem Straßenmonster („Sports Utility Vehicle“) zum Bäcker zu rollen. Im letzten Jahr überstieg im Übrigen zum ersten Mal in der Geschichte die Anzahl der Autos diejenige der Führerscheinbesitzer. Der Trend geht klar zum Drittauto. Ganz so übel scheint es den dem OPEC-Willen unterworfenen US-Bürgern also nicht zu gehen.

Das vermeintliche Erdöl-Kartell böswilliger Wüstenscheichs hat selbst auch die Zeichen der Zeit erkannt. Der Dollar verfällt. Was also tun mit den vielen Papier-Petrodollars? Der Wunsch, den Ölpreis stabil bei vielleicht 30 US-$ zu halten – immerhin über der offiziellen Range von 22 bis 28 US-$ –, kann man ihnen nicht vorwerfen. Verfällt der Dollar weiter, wird man den Kaufkraftverlust des amerikanischen Papiergeldes erneut kompensieren müssen. Das nennt man „Markt“.

Und daß die OPEC sich zur Abwechslung nicht den vordergründigen US-Interessen beugt, nennt man „Emanzipation“. Wie lange Letztere vorhalten kann, nun, das ist natürlich noch mal ein anderes Thema. Ein konstant erhöhter Ölpreis kommt US-CEO Bush nun gewiß nicht zupaß. Die OPEC-Attacke auf den Ölpreis ist nicht zuletzt auch ein Hieb in Richtung US-Präsidentschaft. Der mittlere Osten wehrt sich halt mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, und ehrlich gesagt: Das ist auch gut so.

Daß die OPEC-Mitglieder auch nicht ganz unschlau sind, kann man zusätzlich daran ermessen, daß die Quotenreduzierung absolut vorbeugenden Charakter trägt. Man hat aus der Asienkrise 1997 gelernt, als der Ölpreis rapide bis auf 10 US-$ einbrach, weil ein Gutteil der weltweiten Nachfrage wegbrach. Derzeit wird die Öl-Nachfrage getrieben vom scheinbar unersättlichen Aufschwung in China (und Umgebung) sowie einer sich erholenden US-Wirtschaft. Letzteres scheinen die Scheichs jedoch offenbar kritisch zu hinterfragen. Denn wie verläßlich sind die US-Statistiken, die die „Recovery“ nun schon seit 9 Quartalen ausweisen – ja, wie lange denn eigentlich noch? Daß die OPEC auch diesem Braten nicht traut, kann man ihr kaum verübeln.

Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

Autor/Autorin