Die Liste der versuchten Einflußnahmen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist lang. Es begann bereits Ende der 50er Jahre mit dem von Adenauer initiierten Deutschland-Fernsehen, das als verkappter CDU-Sender geplant war und erst durch das sogenannte 1. Fersehurteil des Bundesverfassungsgerichts gestoppt wurde. Aus dem Deutschlandfernsehen wurde schließlich das Zweite Deutsche Fernsehen nach der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD).

Die Begehrlichkeiten der Parteipolitiker dämpfte diese Entscheidung freilich nicht. Weitere Fernsehurteile mußten in schöner Regelmäßigkeit folgen, und allesamt stärkten diese die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Sofern man angesichts der starken Vertretung der Politik in deren Gremien wie den Rundfunkräten und der Einflußnahme der Regierenden bei der Besetzung wichtiger Posten noch von Unabhängigkeit sprechen kann.

Jetzt also versuchen Politiker, diesmal in Gestalt von Ministerpräsidenten, da Rundfunkpolitik Länderrecht ist, über den Umweg Finanzen Einfluß zu nehmen. Statt 1,46 Euro im Monat soll die Erhöhung der Gebühren nur um 1,07 Euro erfolgen. Die Rundfunkanstalten sollen noch mehr sparen, dem Bürger sei eine solche Erhöhung nicht zuzumuten. Die 1,46 Euro sind dabei ja keineswegs aus der Luft gegriffen, sondern von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes (KEF) als fair und angemessen errechnet worden.

Die KEF ist das vom Rundfunkrecht vorgesehene Gremium zur Ermittlung der Rundfunkgebühren, und schon das Ansinnen, die Arbeit dieser Fachleute durch Gegenvorschläge zu konterkarieren, ist höchst unappetitlich. Die Informationsgesellschaft benötigt qualitativ hochstehende Medien, im Print- wie im Funkbereich. Die Bürger vor einer monatlichen Mehrbelastung in Höhe des Gegenwertes von 0,3 Litern Super bleifrei zu schützen, kann nicht der Ernst jener sein, die die Erhöhung kappen möchten.

Vielmehr geht es darum, teils aus standortpolitischen, teils aus ideologischen Gründen, die privaten Rundfunkanbieter zu stärken. Doch das ist der falsche Weg. Deutschland braucht nicht mehr „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Dschungelcamp“, die 84. schwachsinnige Talk-Show oder die 6. Richterin-Sowieso-Serie. Es ist schon alles so schön bunt hier, um Nina Hagen zu zitieren. Die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die trotz aller Erstürmungsversuche noch immer offensichtlich so ausgeprägt ist, daß sich Politiker daran stören, stellt ein sehr hohes Gut dar, ein Qualitätsmerkmal des Standortes Deutschland. Das sollte, das muß uns 39 Cent im Monat mehr Wert sein.

Stefan Preuß

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