Spätestens seit der Fridays-for-Future-Bewegung ist das Thema Nachhaltigkeit nicht mehr aus den Köpfen der Menschen wegzudenken – auch nicht an den Kapitalmärkten. Der DAX-Riese SAP hat das Thema ESG bereits seit Langem verinnerlicht und lebt dies u.a. immer stärker auf seiner jährlichen Hauptversammlung.

HV Magazin: Herr Schmid, für SAP ist das Thema Nachhaltigkeit nicht neu im Grunde kann man Sie in diesem Bereich als Vorreiter bezeichnen. Können Sie uns kurz und knapp schildern, wie die Anfänge bei Ihnen damals gewesen sind?

Schmid: Unsere Nachhaltigkeitsreise begann in der Tat vor etwa zehn Jahren. Damals waren wir ganz sicher nicht die Ersten und Einzigen, die das Thema strategisch angegangen sind. Bei vielen Stakeholder-Gruppen, seien es Mitarbeiter, Kunden oder Dienstleister, hat man bereits vor zehn Jahren gemerkt, wie enorm wichtig das Thema war. Zu der Zeit war es noch stark aus dem Umweltbereich getrieben, weshalb wir das Thema unbedingt breiter aufstellen wollten. So war uns wichtig, die Wirkung unserer Geschäftstätigkeit auf die Umwelt wie auch die Gesellschaft klar und transparent darzustellen. Wir haben somit einen ganzheitlichen Ansatz gewählt, was neu war. Schon damals haben wir erkannt, dass sich enorme Chancen daraus ergeben.

Und wie sehen die aktuelleren Nachhaltigkeitsziele bei SAP aus?

Daniel Schmid, SAP
Daniel Schmid, Chief Sustainable Officer, SAP

Seit Ende 2013 verfolgen wir die klare Strategie, unsere Innovationen in der grünen Cloud anzubieten. So werden bereits seit einigen Jahren all unsere Bürogebäude und Rechenzentren mit Ökostrom betrieben. Wichtig ist uns dabei aber auch, dass dieser Strom wirklich nachhaltig erzeugt wird, z.B. im Sinne von humanen Arbeitsbedingungen und Regionalität. Das Gesamtbild zu betrachten ist also der entscheidende Faktor heutzutage. Zudem haben wir in den letzten paar Jahren auf eine noch stärkere Transparenz der Wertschöpfungskette gegenüber unseren Kunden gesetzt. Bis 2025 wollen wir komplett klimaneutral werden. Außerdem wollen wir bei SAP vollständig einmalplastikfrei werden. In dem Fall zieht die Belegschaft sehr vorbildlich mit. Nur so kann man auch nach außen glaubwürdig vor seine Stakeholder treten.

CSR-Kriterien sind für viele Investoren heutzutage ein entscheidender Faktor bei Anlageentscheidungen. Überspitzt gefragt: Werden harte Finanzkennzahlen irgendwann zweitranging gegenüber ihren nicht-finanziellen Pendants?

Hier stellt sich mir gar nicht die Frage nach dem Entweder-oder, sondern vielmehr nach dem Und. Auf die Verknüpfung von ESG-Kennzahlen und Finanzkennzahlen legen wir bei SAP seit jeher enormen Wert. In unserem integrierten Bericht  wird deutlich, dass sich viele Nachhaltigkeitsfaktoren direkt positiv auf die Finanzzahlen auswirken. So führt u.a. eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit zu mehr Umsatzwachstum. Deswegen haben wir schon früh damit begonnen, die Aspekte unseres nachhaltigen Handelns zu monetarisieren und dies transparent aufzuzeigen. Ein konkretes Beispiel dazu: Werden die Treibhausgasemissionen um 1% gesenkt, steigt unser Betriebsergebnis um 6 Mio. EUR. Der Begriff Non-Financial-Kennzahlen ist deshalb auch nicht ganz richtig gewählt – es sollte vielmehr Pre-Financial-Kennzahlen heißen. Es ist deshalb enorm wichtig, einen einheitlichen Standard für alle Unternehmen gleichermaßen zu entwickeln, der eine neue Art der Bilanzierung mit ESG-Kennzahlen ermöglicht. Hierzu gibt es bereits eine Initiative, die sich Value Balancing Alliance nennt, bei der sich neben SAP auch u.a. LafargeHolcim oder BASF beteiligen. Ziel der Value Balancing Alliance ist es, einen globalen Standard für die Messung und Bewertung von positiven und negativen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit zu schaffen und eine Anleitung zu geben, wie diese Auswirkungen in die Unternehmenssteuerung integriert werden können.

 Worauf legen ESG-Investoren bei SAP besonderen Wert, auch im Hinblick auf die Hauptversammlung?

Bereits im Vorfeld der Hauptversammlung führen wir in der Regel viele Gespräche mit unseren ESG-Investoren. Dabei merken wir, dass vor allem Governance-Themen enorm wichtig sind. Klare Profile der Aufsichtsratsmitglieder sowie Themen der Vorstandsvergütung sind hier als entscheidende Aspekte zu nennen. Zudem merken wir, dass Impact Investing sehr wichtig geworden ist. Manchmal gibt es aber auch ganz profane Aspekte, die auf der HV von Aktionären angesprochen werden: So hat ein Kleinaktionär einmal kritisch angemerkt, dass am Eingang Plastiktaschen mit Informationen ausgegeben werden und auf der Bühne über Nachhaltigkeit gesprochen wird. Daran sieht man, wie sich die Denkweise der Menschen gewandelt hat – auch bei den Investoren.

Guter Punkt: Wie lässt sich denn überhaupt eine nachhaltige Hauptversammlung

Die Finanzbranche hat bereits auf die steigenden Klima-Proteste reagiert.
Die Finanzbranche hat bereits auf die vermehrten Klima-Proteste reagiert.

gestalten?

Wir versuchen bereits bei vielen Veranstaltungen, seien es HVs, Kundenevents oder Teammeetings, verstärkt darauf zu achten, virtuelle Teilnahmealternativen anzubieten. Als Softwareunternehmen gehen wir da mit gutem Beispiel voran: Es laufen deshalb bei vielen unserer Events Livestreams, denn die Anreise zu den diversen Veranstaltungen schlägt auf dem Klimakonto nun mal am stärksten zu Buche. Aber auch beim Catering kann stark auf Klimaschutz gesetzt werden; so achten wir z.B. darauf, dass das Geschirr möglichst nicht aus Plastik ist oder die entsprechenden Nahrungsmittel fair und nachhaltig produziert werden. Da gibt es also viel Potenzial, und wir haben hier auch schon eine entscheidende Verbesserung gegenüber den Vorjahren erreicht.

 Ist die virtuelle HV langfristig die Lösung?

Wir spüren ganz stark, dass für Aktionäre der Austausch von Mensch zu Mensch nach wie vor extrem wichtig ist. Das wird wahrscheinlich in naher Zukunft noch so bleiben. Die Aktionäre wollen in direkten Dialog mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat treten. Die Nutzung der virtuellen Teilnahme an der HV ist deshalb bei uns noch relativ überschaubar. Viele unserer Kleinaktionäre stammen aus Deutschland, d.h., die Anreisewege sind nicht so lang und deshalb nicht so sehr klimabelastend. Internationale Investoren nutzen schon eher die digitalen Möglichkeiten.

 Wie beurteilen Sie aktuelle Bewegungen wie Fridays for Future?

Ich persönlich begrüße die Bewegung. Fridays for Future hat definitiv dazu geführt, dass viele aufgewacht sind, was eine tolle Leistung ist. Wir merken das auch ganz stark bei unseren Kunden, egal, welcher Branche sie angehören. Heutzutage kann keiner mehr ignorieren, welche Wirkung die eigene Geschäftstätigkeit auf die Gesellschaft und die Umwelt hat. Nachhaltiges Handeln hat eine hohe Relevanz und entscheidet darüber, wer am Markt mittel- und langfristig Erfolg hat. Der sogenannte Greta-Effekt macht sich demnach deutlich bemerkbar in der Gesellschaft. Die Unternehmen erkennen immer mehr, dass eine nachhaltige Geschäftsstrategie unabdingbar ist – sowohl für die Rekrutierung junger Nachwuchskräfte als auch für langfristige Kundenbeziehungen. Getrieben durch die Bewegung haben Austauschformate, die wir unseren Mitarbeitern schon seit vielen Jahren anbieten, an Interesse gewonnen. Erst kürzlich haben wir wieder darüber diskutiert, wie der Einzelne noch stärker zum Klimaschutz beitragen kann.

HV Magazin: Herr Schmid, vielen Dank für das sehr spannende Gespräch.

Das Interview führte Svenja Liebig.