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Digitales Reporting ist spätestens seit Corona auf dem Vormarsch – in der Schweiz zeichnet sich dieser Trend deutlich stärker ab als in Deutschland. Gert Schröder, CEO der NeidhartSchön AG, erklärt im Interview, welche Vorteile das HTML-Format bringt und warum das PDF dennoch nicht ausgedient hat.

GoingPublic: Welche Rolle spielt das Onlinereporting in der Schweiz?

Schröder: Die Digitalisierung treibt die Unternehmenskommunikation bereits seit 15 Jahren an – die Coronapandemie hat dann noch den entscheidenden Boost gebracht. In der Schweiz sehen wir eine klare Entwicklung: weg vom klassischen Printformat, hin zu digitalen Publikationsformen. Wie diese digitalen Varianten ausgestaltet sind, variiert wiederum stark von Unternehmen zu Unternehmen und orientiert sich an den individuellen Zielsetzungen der Firmen sowie an den Ansprüchen der Stakeholder.

Lässt sich der Trend mit Zahlen belegen?

Rund ein Drittel der Unternehmen verfolgt laut unserer Einschätzung bereits einen Online-first-Ansatz – und die Zahl steigt. Andersherum kommt wohl keine Firma mehr ganz ohne Onlinekommunikation aus. Das klassische PDF wird nach wie vor stark nachgefragt, immer öfter jedoch als Zweitausspielung der primären Onlinepublikation.

Und der Digitalisierungsschub wird nach der Pandemie anhalten?

Corona war lediglich der Beschleuniger. Der Digitalisierungstrend im Bereich des Reportings wird sich fortsetzen. Unternehmen werden neue Prozesse etablieren; der Online-first-Ansatz wird sich in der Schweiz weiter durchsetzen. Wir gehen davon aus, dass in fünf Jahren jedes börsenkotierte Schweizer Unternehmen den Geschäftsbericht online-first umsetzt.

Online-first: Also wird es weiterhin auch ein PDF oder eine Druckversion geben – ein hybrides Format?

Die Entwicklung geht zum HTML-Format mit eigener Microsite. Mithilfe einer Webpublikation lassen sich die Inhalte zentral erfassen und ein zweites oder drittes Mal über verschiedene Kanäle ausspielen: mit der Website, auf Social Media oder mit einem eigenen Corporate Blog. Auch Videos haben aufgrund der Onlineausrichtung vermehrt Einzug gehalten, Interviews mit dem Management oder Verwaltungsrat werden bewusst bewegt ausgespielt.

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Das PDF bleibt aber wichtig und ist gesetzt, weil viele Stakeholder diese Form schätzen – Analysten, Journalisten und auch Investoren nutzen gerne die Volltextsuche, haben das Layout verinnerlicht und die klare Struktur schätzen gelernt. Die PDFs werden uns sicher weiter begleiten, sie bieten über Kommentare und Verlinkungen viele Vorteile gegenüber dem Webauftritt, bei dem man mitunter Gefahr läuft, den Nutzer nicht ausreichend schnell und klar zu den gewünschten Inhalten führen zu können.

Der gedruckte Bericht ist hingegen eher ein Auslaufmodell.

Gedruckte Berichte nehmen ab und könnten künftig ganz verschwinden. Dazu trägt auch das gestiegene Nachhaltigkeitsbewusstsein der Unternehmen bei. Es ist nun einmal ein Widerspruch, das eigene Geschäftsmodell nachhaltig gestalten zu wollen, aber zeitgleich einen 250 Seiten starken Geschäftsbericht in hoher Auflage zu drucken.

Stichwort Nachhaltigkeit: Ist das Thema in den Berichten angekommen?

Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien sind längst mehr als ein Grünanstrich und das Versprechen, sich in diesem Bereich zu engagieren. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist zur Beweisführung geworden, nach anerkannten Standards und anerkannten Vorgaben. Es reicht nicht mehr, nur über die Finanzkennzahlen zu berichten – auch Non-Financial-Assets müssen in den Vordergrund gerückt werden, um den Ansprüchen der verschiedenen Stakeholder gerecht zu werden.

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Investoren, Banken und Talente beispielsweise erwarten, dass Unternehmen sich engagieren, sich ein Stück weit in die Karten schauen lassen und dadurch Transparenz schaffen. Über eine gute Nachhaltigkeitsberichterstattung werden die Aktivitäten messbar und ernsthafte Intention und Ambition sichtbar.

Deutschland ist in Sachen digitales Reporting nicht so weit wie die Schweiz. Warum?

Die Schweiz hat ein anderes Grundverhältnis zum Thema Digitalisierung, zu technischen Neuerungen und Optionen. Digitale Möglichkeiten werden als Chance wahrgenommen. Im Detail sind die Schweizer Unternehmen schon lange darauf bedacht, ihre digitalen Umsetzungen maximal benutzerfreundlich zu gestalten – z.B. über eine ordentliche Ausspielung auf dem Tablet oder Smartphone. Neben dem PDF treten immer öfter gleichwertig oder sogar höher gewichtet Onlineberichte im HTML- Format auf. In Deutschland verhält sich das nach unseren Erkenntnissen etwas anders. Hier gilt eher noch das Motto „never change your winning horse“ – das PDF ist etabliert und der Umgang mit diesem Format bei allen Adressaten gelernt. Die Umstellung dieses gut funktionierenden Modells passiert noch etwas zögerlicher.

Klar ist aber auch: Richtig und falsch gibt es in diesem Kontext nicht. Unterschiedliche Unternehmen haben unterschiedliche Anforderungen und arbeiten in verschiedenen Branchen und Industrien. Es geht immer darum, die jeweils individuellen Themen optimal darzustellen. Eine One-fits-All-Lösung gibt es nicht, das macht es ja gerade spannend.

Herr Schröder, vielen Dank für das informative Gespräch.

ZUM INTERVIEWPARTNER
Gert Schröder zeichnet seit 2018 als CEO von NeidhartSchön in Zürich verantwortlich. Die Agentur fokussiert sich mit 40 Kommunikationsspezialisten auf die Konzeption und Realisation von Jahres- und Nachhaltigkeitsberichten. Zu den Kunden zählen gelistete Unternehmen und bedeutende Organisationen am Standort Schweiz. Nach einer kaufmännischen Ausbildung absolvierte Schröder eine klassische Beraterlaufbahn. Er war in verschiedenen nationalen und internationalen Kommunikationsagenturen tätig sowie auf Auftraggeberseite als Leiter Marketing und Kommunikation. Nach seinem Masterabschluss in Communications Management legte er seinen Kompetenzschwerpunkt verstärkt auf digitale Unternehmens- und Stakeholder-Kommunikation.

Autor/Autorin

Isabella-Alessa Bauer