Es war das Thema schlechthin rund um Weihnachten und an den Tagen zwischen den Jahren: der Bitcoin und sein atemberaubender Anstieg um 2.000% im Jahr 2017. Dass im privaten Rahmen zwischen dem Singen von „Stille Nacht“ und dem festlichen Verzehr der obligatorischen Weihnachtsgans von Tanten, Neffen und Großeltern so leidenschaftlich über ein Anlagethema diskutiert wird – ja, das hat es zuletzt nur 1999/2000 zu Internetpionier- und Neuer-Markt-Zeiten gegeben. Oder in den 70er-Jahren, beim Goldpreisanstieg von 35 auf 850 USD nach den beiden Ölschocks. Beide historischen Beispiele endeten wie allgemein bekannt – ein vorschneller Abgesang auf Bitcoin, Blockchain & Co. wäre jedoch verfrüht. Von Falko Bozicevic

Werden die Charts dieser Spekulationsblasen übereinandergelegt und ergänzt durch die Tulpenzwiebel-Episode und die South Sea Bubble, so zeigt u.a. das Research von Goldman Sachs, dass die Kryptowährungen Bitcoin und, mehr noch, Ethereum alle historischen Spekulationsblasen bereits hinter sich lassen. Das heißt nicht, dass Bitcoin & Co. nicht wieder steigen könnten. Denn Motiv von Spekulanten sind stets schnelle Gewinne – und dann der lukrative Verkauf an „the greater fool“, also den Deppen, der in der Schlange hinter einem steht. Seit Mitte Dezember 2017 werden sogar Bitcoin-Futures an den beiden regulierten Derivatebörsen in den USA gehandelt: Seitdem kann erstmals auf sinkende Bitcoinpreise spekuliert werden, um auch wirklich jedem am Thema Interessierten ein Betätigungsfeld zu bieten.

Quelle: EY, CoinDesk, CB Insights, IFCERT
Quelle: EY, CoinDesk, CB Insights, IFCERT

Am Anfang war die Dezentralisierung

Dezentralisierung und Demokratisierung sind die Schlagworte, die zwar schon vor der Jahrtausendwende im Umlauf waren, jedoch im Zuge der Internetrevolution eine ganz neue Bedeutung bekamen. Nach der Liberalisierung der Energiemärkte, den Umwälzungen in der Medienwelt, im E-Commerce usw. schien die Finanzwelt zunächst die letzte Bastion zu sein, die ihre zentralistischen Strukturen hatte aufrechterhalten können. Die Übertragung des Kerngedankens im E-Commerce – Aussparung der Mittelsmänner – gelang jedoch den Pionieren des Crowdfunding, indem sie technologische Lösungen für sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke entwickelten.

Wiki und Möbius

Kennzeichen dezentraler Systeme oder Strukturen ist ihre hohe Überlebensfähigkeit. Das Internet, Wikipedia und LINUX sind nur drei Beispiele, die einem sofort einfallen. Hat das Internet etwa einen „fairen Wert“, eine angemessene Bewertung? So komplex wüde es auch, wollte man denjenigen des Bitcoin oder einer anderen paradigitalen Parallelwährung oder eines alternativen Geldsystems ermitteln – zumal ausgedrückt im Wert desjenigen traditionellen Geldsystems, das Bitcoin angetreten ist, die Stirn zu bieten, womöglich abzuschaffen. Das Möbiusband lässt grüßen. Wir haben also ein kleines Plausibilitätsproblem.

Des Weiteren ist zur Stunde ungeklärt, ob ein Bitcoin ein Wertpapier, eine Währung, ein Rohstoff, ein Zahlungsmittel oder eine neue Anlageklasse repräsentiert – oder etwas Außerirdisches. Solange es irdisch ist, müsste früher oder später irgendeine Institution zuständig zeichnen. Doch welche sollte das sein? – National, international? Richtig, nationale Behörden vornehmlich totalitärer Länder schritten bereits ein – Kunststück. Dem stehen auf der Habenseite überaus bitcoinfreundliche Länder gegenüber.