Aufzählung der auslagepflichtigen Unterlagen

„…und auch heute liegen am Wortmeldetisch folgende Unterlagen zur Einsicht durch die Aktionäre aus:“ Darauf folgt in der Regel eine mehr oder minder lange Aufzählung von Dokumenten mit wenig einprägsamen Namen wie z.B. „erläuternder Bericht zu den Angaben nach § 315 Absatz 2 Nr. 5 HGB“. Nirgends wird gefordert, dass alle auslagepflichtigen Unterlagen expressis verbis aufgezählt werden müssen. Sollte eine Unterlage versehentlich nicht ausliegen, wird dieser Mangel durch die Erwähnung im Leitfaden auch nicht geheilt. Der Leitfaden könnte folglich an dieser Stelle verkürzt darauf werden, dass auslagepflichtige Unterlagen am Wortmeldetisch eingesehen werden können.

Bericht des Aufsichtsrats

Es ist zwar nicht die Regel, dass der vollständige (schriftliche) Bericht des Aufsichtsrats verlesen wird, aber ab und an sieht dies der Leitfaden in der Tat vor. Das Aktiengesetz verlangt eine Erläuterung des Aufsichtsratsberichts, keine Verlesung (§ 176 Abs. 1 AktG). Die Verlesung des meist recht nüchternen Aufsichtsratsberichts dürften Aktionäre, ohne sich vorher mit der Druckfassung des Textes beschäftigt zu haben, schwerlich verstehen, und damit treffen diese Ausführungen eher auf Desinteresse. Erläuterungen hingegen, in denen der Aufsichtsrat die wirtschaftliche Lage und aktuelle Situation der Gesellschaft bewertet, dürften bei den Aktionären auf großes Interesse stoßen. Keinesfalls weggelassen werden sollten übrigens Ausführungen zu einem Wechsel des Abschlussprüfers (Person oder Gesellschaft) oder zu eigenen Prüfungshandlungen des Aufsichtsrats im Umfeld des Abhängigkeitsberichts. Diese Ausführungen werden sogar aktuell von den Aktionärsschutzgemeinschaften gefordert.

Vollständige Verlesung von Beschlusstexten

Es ist schon seit geraumer Zeit gesicherte Rechtsauffassung, dass der Aktionär keinen Anspruch auf vollständige Verlesung von Beschlusstexten hat. Trotzdem findet sich in Leitfäden die Frage an das Aktionariat, ob jemand die vollständige Verlesung der Texte wünsche. Hebt (insbesondere bei umfangreichen Tagesordnungen) ein Aktionär die Hand, so kann man dem Versammlungsleiter nur geölte Stimmbänder wünschen. Nebenbei steigt das Risiko von Anfechtungen, da ein Versprecher des Versammlungsleiters (denkbar bspw. ein Zahlendreher beim Genehmigten Kapital) die schriftlich formulierte Beschlussvorlage der Einberufung konterkariert.

Anders ist der Sachverhalt, wenn der ursprüngliche Beschlusstext von der Verwaltung bewusst geändert werden soll. Hier ist die Verlesung (zumindest der geänderten Passagen) angebracht. In allen anderen Fällen sollte der Verweis auf den Beschlussvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat, so wie im Bundesanzeiger veröffentlicht, ausreichend sein.

Verlesung der Beschlussfassungen

Last but not least: § 130 Absatz 2 AktG gibt dem Versammlungsleiter einen umfangreichen Katalog an Daten zur Beschlussfeststellung der Abstimmungsergebnisse mit. Die wenigsten Aktionäre sind in der Lage, diese Datenflut verbal zu verarbeiten (falls sie es überhaupt wollen). Der gleiche Paragraph bietet jedoch die Option, auf den „Zahlenfriedhof“ zu verzichten und die Beschlussfeststellung darauf zu beschränken, dass die nötige Mehrheit erreicht wurde. Ein Aktionär müsste (durch aktives Handeln) die ausführliche Beschlussfeststellung verlangen. Durch die Ankündigung, die ausführlichen Ergebnisse am Wortmeldetisch auszulegen und/oder an die Leinwand zu projizieren, sollten mögliche Bedenken der Aktionäre ausgeräumt werden.

Weniger ist oft mehr!

Obige Punkte sind nur als Beispiele für mögliche Kürzungen am Leitfaden zu verstehen. Ausführungen (zu nicht vorliegenden) Gegen- oder Erweiterungsanträgen, Beschreibungen des Prozederes der Vollmachts- und Weisungserteilung an die Stimmrechtsvertreter, die Möglichkeit der Abgangsbuchung, Hinweise auf die Einhaltung der Stimmverbote nach § 136 AktG und vieles mehr, bieten weiteres Potenzial für einen kürzeren und verständlicher formulierten Leitfaden. Dies soll ein klares Plädoyer für das Ansetzen des Rotstifts sein – die Aktionäre werden es Ihnen danken!

Vorab-Veröffentlichung aus dem HV Magazin 1/2014

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