Daher gebe es immer weniger Gründe für Unternehmen in etablierten Primärmärkten, vom Heimatbörsenplatz wegzugehen. Ausnahmen gebe es dennoch. „Strategische Gründe sprechen oft dafür, die Bekanntheit in einem Wachstumsmarkt durch eine Börsennotiz zu erhöhen und im operativen Geschäft zu nutzen.“ Es hängt aber stets auch von der Perspektive des Unternehmens ab, ob ein Cross-Listing reizvoll ist oder nicht. So kann dies für Unternehmen aus Schwellenländern attraktiv sein, wenn es an ihrem Heimatmarkt keine große, international bekannte Börse gibt.

Performance deutscher Unternehmen, die in den vergangenen Jahren im Ausland an die Börse gegangen sind
Performance deutscher Unternehmen, die in den vergangenen Jahren im Ausland an die Börse gegangen sind

Peergroup und Liquidität entscheidend
„Die stärkste Triebfeder für ein deutsches Unternehmen, im Ausland an die Börse zu gehen, ist die sogenannte Peergroup“, sagt Christoph Gruss, Kapitalmarktexperte bei PwC. „Wenn für eine bestimmte Branche die vergleichbaren börsennotierten Unternehmen einen bestimmten Handelsplatz bevorzugen, dann tun auch IPO-Kandidaten gut daran, diesen Handelsplatz ganz oben auf ihre Liste zu setzen, da sie auf diese Weise auf die realistischste Bewertung ihrer Aktien hoffen können“, fügt Gruss hinzu. Für Biotechs sei aus diesem Grund New York der einzig sinnvolle Ort, um an die Börse zu gehen. Frankfurt zum Beispiel ist seiner Ansicht nach für Unternehmen aus der Automobilindustrie besonders attraktiv. Und Unternehmen aus der Rohstoffbranche gehen laut Gruss gern nach London.

„Neben der Peergroup ist allerdings auch die zur Verfügung stehende Liquidität ein wichtiger Faktor. In Europa ist die LSE (London Stock Exchange) der liquideste Markt und insgesamt wird in den USA mehr Geld in Aktien investiert als in Europa“, erklärt der Experte. Zuletzt spielen seiner Meinung nach auch die Zulassungsvoraussetzungen und jeweiligen Folgepflichten eine Rolle. „Hier muss allerdings erwähnt werden, dass Börsen mit besonders hohen Anforderungen wie zum Beispiel die LSE
dennoch besonders erfolgreich sind.“ Niedrige Hürden machten Börsen daher nicht zwingend attrak tiver. Welche Branchen
sind derzeit besonders an IPOs interessiert? „Obwohl die Welle der E-Commerce-IPOs bereits im Abheben begriffen ist, stoßen Unternehmen dieser Branche immer noch auf viel Interesse. Daneben ist Fintech als Mischung aus Financial Services und Hightech besonders attraktiv. Financial Services ist bereits seit Jahren einer der bestimmenden Sektoren.“

Das aktuelle IPO-Klima sieht Gruss allerdings kritisch: „Die starke Volatilität aufgrund der hohen globalpolitischen

Christoph Gruss, PwC
Christoph Gruss, PwC

Unsicherheiten, insbesondere in der EU, sowie die Geldmarktpolitik, vor allem von FED und EZB, machen ein IPO zurzeit risikoreich. Die Abschläge sind hoch, die Transaktionen teilweise unattraktiver als ein Trade Sale.“ Die großen ausländischen Börsendomizile findet man in New York (NYSE & Nasdaq), London (LSE) sowie Amsterdam und Paris (Euronext). Häufige Argumente, die für den Börsengang in diesen Metropole sprechen, sind investoraffine Kapitalmärkte, Eintrittsmöglichkeiten in ausländische Märkte sowie ein einfacher Zugang für internationale Investoren. „Der Zugang zu mehr Liquidität und die bessere Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen derselben Branche sind für viele Unternehmen große Vorteile“, resümiert Gruss. Der Zugang zu einem fremden Markt und größere Aufmerksamkeit der Investoren können weitere Ziele sein.