Bildnachweis: ©Blue Planet Studio – stock.adobe.com, Quelle: Greenwich Associates, Juli 2020., mms solutions.

Herausforderungen für das ESG-Reporting

Zunächst braucht das Thema einen einheitlichen Namen. Bezeichnungen für Berichte über soziales und ökologisches Wirken von Unternehmen existieren zuhauf – C(S)R, nicht-finanzielle Berichterstattung, Triple-Bottom-Line- oder Nachhaltigkeitsberichte und neu: ESG-Reporting. Nun legt sich die EFRAG fest auf Sustainability Statement, deutsch voraussichtlich: die Nachhaltigkeitserklärung.

Gleiches gilt für die inhaltliche Ausgestaltung der Nachhaltigkeitserklärung. Mit der Emanzipation der Nachhaltigkeitsberichterstattung steigt ihre Komplexität. Ein Indiz dafür ist die hohe Anzahl von Standards oder Ansätzen wie GRI, SASB, WBCSD, CDSB, TCFD oder AccountAbility. Neben den Bestrebungen auf EU-Ebene hat selbst die IFRS Foundation auf die Notwendigkeit von global einheitlichen Regeln hingewiesen. Einen Vorgeschmack auf die konzeptionell inhaltliche Ausgestaltung der künftigen Berichtspflicht liefern bereits die mehr als 1.000 Seiten starken Dokumente „Proposals for a relevant and dynamic EU sustainability reporting standard-setting“.

Das Ziel ist ein verpflichtender EU-weiter Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung – im Gegensatz zur aktuell gültigen Non-Financial Reporting Directive (NFRD), die es Unternehmen oder Ländern im Großen und Ganzen erlaubt, ihr bevorzugtes Rahmenwerk zu wählen. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, einen Satz von Standards für große Unternehmen sowie einen weniger strengen Satz für KMU zu entwickeln, den nicht-börsennotierte KMU freiwillig anwenden könnten.

Im Weiteren geht es darum, die erhobenen Daten zugänglich zu machen. Dafür soll die digitale Nutzung der Informationen aus den Nachhaltigkeitserklärungen von Beginn an mitgedacht werden. Die Intention der Regulatoren besteht darin, Daten durch den Einsatz von Technologie konnektiv und zugänglich zu machen. Ähnlich wie bei ESEF ist mit einer Datentaxonomie zu rechnen.

Der Vorsitzende von XBRL International, Wes Bricker, betont die Notwendigkeit von Investitionen bei den berichterstattenden Unternehmen: zum einen in personelle und finanzielle Ressourcen, zum anderen in interne Fähigkeiten und robuste Prozesse. Mit der Zeit werde die Aufbereitung der Nachhaltigkeitsinformationen, die alle Stakeholder zur Bewertung des Unternehmens benötigen, zu einem zentralen Bestandteil der externen Berichterstattung werden. ESG-Reporting sei eine Kernverantwortung und müsse sich in stabilen Abläufen, Systemen und Kontrollen niederschlagen, die sowohl bei der Aufbereitung als auch bei der Digitalisierung der Nachhaltigkeitsinformationen angewendet werden. Unternehmen müssten sicherstellen, dass sie sich kompromisslos auf den Inhalt ihrer digitalen Offenlegungen verlassen können. Dies gilt auch für Unternehmen, die sich dafür entscheiden, die Digitalisierung ihrer Abschlüsse auszulagern, anstatt sie intern zu erstellen.

Die Realisation von ESG-Reporting

Aus dem Blickwinkel der berichterstattenden Unternehmen stehen große inhaltliche und prozessuale Herausforderungen im Raum. Während es bei den Inhalten grundsätzlich darum geht, eine richtige Balance zwischen Wesentlichkeit und Vollständigkeit zu finden, spielen bei den Prozessen Aspekte wie Praktikabilität und Systemunterstützung eine wichtige Rolle.

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Konkret gesprochen müssen Unternehmen bereit sein für die Erhebung, Aufbereitung und Auslieferung der gemäß neuem Standard definierten Daten. Um dies zu erreichen, sind nachvollziehbare Prozesse, vollständige Versionskontrollen sowie Instrumente notwendig, die eine reibungslose Zusammenarbeit im gesamten Unternehmen unterstützen.

Es braucht eine digitale Plattform, die die Datenerfassung automatisiert, die Standards bzw. Rahmenwerke integriert und die Daten direkt in den Nachhaltigkeitsbericht verknüpft, ob er nun als PDF, HTML-Onlinebericht oder im XBRL-Format zur Verfügung gestellt wird.

Mit konsistenten Daten, vernetzten Arbeitsabläufen und einem integrierten XBRL-Tagging kann viel Vertrauen geschaffen werden. Vollendung findet das ESG-Reporting mit einer hervorragenden Usability beim Onlinereport. „Usable“ oder nützlich sind zum Beispiel eine interaktiv zugängliche Wesentlichkeitsmatrix oder ein interaktiver Vergleich der ESG-Kennzahlen.

Vorteile für Unternehmen mit gutem ESG-Reporting

Die stärkere Gewichtung von ESG-Kriterien wird zum strategischen Erfolgs- und entscheidenden Reputationsfaktor, schreibt Thomas Zehnder, Vice President Group Communications bei Landis+Gyr, Schweiz, in The Reporting Times (Quelle https://neidhartschoen.ch/esg_reporting/), und gutes ESG-Reporting erzeugt Vertrauen: Beispielsweise glauben 65% der Anleger, dass ethisch einwandfrei aufgestellte und transparent kommunizierende Unternehmen bessere Anlageergebnisse abwerfen. (Quelle: Studie Vontobel: „Drive positive change with ESG“, Umfrage unter 4.643 Konsumenten in 14 Ländern, März/ April 2019)

What’s next?

Alles ist im Fluss. Die Komplexität und die Dynamik der Regulierungsanforderungen sind sehr hoch. Der viel diskutierte EU-Standard ist noch nicht verabschiedet. Taxonomien sind demzufolge noch nicht definiert. Trotzdem sollten sich Unternehmen vorbereiten, denn der Druck am Markt besteht bereits und die Investoren sowie Ratingagenturen erwarten Offenlegung. Wer die Finalisierung der ESG-Standards abwarten und weiterhin mit etablierten Standards wie GRI arbeiten möchte, kann in einem ersten Schritt die prozessualen Vorbereitungen und den Aufbau einer digitalen Plattform mit Taxonomiefähigkeit vorantreiben – um dann bereitzustehen, wenn es 2023 mit der EU-Regulation ernst wird.

Über die Autorin:
Anna Bertele ist mitverantwortlich für den Ausbau und die Entwicklung des Business Developments der mms solutions GmbH in Deutschland und leitet den Standort der Neidhart-+-Schön-Group-Tochter in Frankfurt am Main. Sie ist Betriebswirtin mit den Studienschwerpunkten Finanzwirtschaft und Marketing sowie Medienfachwirtin für Digital- und Printmedien. Zuvor bekleidete sie verschiedene Positionen bei der GoingPublic Media AG, zuletzt als Verlagsleiterin Kapitalmarktmedien.

Autor/Autorin

Anna Bertele