Während die Transformation zur Industrie 4.0. in vollem Gange ist und digitale Geschäftsmodelle immer häufiger bestehende Strukturen aufbrechen, hinken Verwaltungsabteilungen – oftmals unabhängig von der Unternehmensgröße und des Geschäftsmodells – bei der digitalen Transformation weiterhin hinterher. Von Jürgen Diehm und Frieder Welte

Zwar waren fast überall Digitalisierungsinitiativen um Themen wie künstliche Intelligenz, Big Data, Cloud, Robotic Process Automation oder Blockchain gestartet. Doch oft kämpfen insbesondere die Finanzabteilungen noch mit ganz grundlegenden Problemen, die eine schnelle und effiziente  Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben ausbremsen oder sogar komplett verhindern.

 

Papier dominiert

Betrachtet man beispielsweise den Purchase-to-pay-Prozess (der Prozess von der Beschaffung bis zur Bezahlung der Rechnung), erfolgt noch bei bis zu 40%  der Unternehmen kein Scan von eingehen- den Papierrechnungen. Des Weiteren nutzen nahezu 70% der Unternehmen keine optische Texterkennung (OCR-Technologie) für eine automatisierte Extraktion der Rechnungsdaten. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass in Deutschland bisher nur ca. 40% der Unternehmen die elektronisch eingehenden Rechnungen vollständig digital weiterverarbeiten. Auch in anderen Finanzprozessen (z.B. Order-to-Cash oder Record-to-Report) kommt es nach wie vor viel zu oft zu manuellen Erfassungen, Überleitung und Weiterverarbeitung von Daten.  Schuld sind oftmals heterogene IT-Landschaften, harte Systembrüche oder schlicht ver- altete Prozesse. Dabei liegen gerade hier aufgrund der wachsenden Digitalisierung von Geschäftsmodellen die Daten immer häufiger bereits in elektronischer Form vor.

Unternehmen, die heute noch mit Papierbelegen, Kontierungsstempeln, Unterschriftenmappen und Belegordnern arbeiten, sollten in ihrer Strategie für den Finanzbereich dringend einen Umstieg auf elektronische Workflows und digitale Belege aufnehmen. Dies ermöglicht nicht nur erhebliche Effizienzsteigerungen in den internen End-to-End-Prozessen, sondern ist grundlegende Voraussetzung für ein zukunftsfähiges, digitales „Rechnungswesen 4.0“.

 

Beispiel Rechnungsverarbeitung

Bei der Rechnungsverarbeitung muss das Ziel ein vollständig integrierter End-to- End-Prozess sein, bei dem eine automatische Verarbeitung eingehender Rechnungen bei vorhandenem Bestellbezug und Wareneingang im ERP-System erfolgt. Ein manueller Eingriff im Prüf- und Buchungsprozess wäre dabei nur noch in Ausnahmefällen erforderlich und nicht wertschöpfende Tätigkeiten können weitgehend entfallen.

Am Anfang der digitalen Rechnungsverarbeitung steht die Erfassung aller ein- gehenden Rechnungen und das Auslesen der Rechnungsdaten. Im Anschluss an das Auslesen bzw. die direkte Übernahme der Beleginformationen bei „echten“ elektro- nischen Rechnungen erfolgt üblicherweise unmittelbar die Klassifizierung des ein- gegangenen Belegs und das Prüfen auf Vollständigkeit der entsprechenden Belegart. Im Idealfall erfolgt anschließend der Abgleich von Stammdaten mit dem verbundenen oder integrierten ERP-System. Für Rechnungen mit  Bestellbezug, d.h. mit Bezug zu einer systembasierten Bestellung, kann sogar ein automatischer Abgleich von Mengen und Preisen mit den entsprechenden Bestellpositionen im ERP-System erfolgen (sog. Two-Way Match). Als Referenz dient dabei die Bestellnummer. Ergänzt man diesen Ab- gleich um tatsächliche Liefer- und Leistungsmengen auf Basis eines Wareneingangsbelegs (evtl. unter Berücksichtigung von Toleranzen), so spricht man vom sog. Three-Way Match. Beim Einkauf von Waren, die höchsten Ansprüchen genügen müssen, kann der Abgleich sogar noch auf die akzeptierte Menge aus ent- sprechenden Qualitätssicherungsprozes- sen im System ausgeweitet werden (sog. Four-Way Match).

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