Man kann leicht nachvollziehen, dass es zwischen der Größe eines kapitalgedeckten (privaten) Altersvorsorgesystems und der Größe des inländischen Kapitalmarktes einen Zusammenhang geben muss. Die privaten Altersvorsorgeeinrichtungen müssen nämlich aus den Sparbeiträgen der Versicherten einen Kapitalstock aufbauen, aus welchem sie dann bei Eintritt in das Rentenalter die Rentenzahlungen an den Versicherten speisen können. Hingegen findet bei einem umlageorientierten System kein Aufbau eines Kapitalstocks statt. Entsprechend kleiner muss dann der Kapitalmarkt sein. Dieser Zusammenhang ist tatsächlich auch in mehreren Studien gezeigt worden und gibt eine einfache Erklärung dafür, warum etwa in den Niederlanden oder der Schweiz, trotz der großen kulturellen Nähe zu diesen Ländern, die Kapitalmarkttiefe deutlich ausgeprägter  ist als in Deutschland.

Nun kann man nach aktueller politischer Lage davon ausgehen, dass es im Jahr 2017 eine Rentenreform geben wird. Zwar steht zu befürchten, dass die zentralen Defizite unseres gesetzlichen Rentensystems nicht angegangen werden. Kurz gesprochen bestehen diese darin, dass trotz eines enorm hohen Ausgabenvolumens die Nettoersatzquote – wiederum im internationalen Vergleich – sehr niedrig ist. Die Nettoersatzquote gibt an, wie hoch das Nettoeinkommen nach Eintritt in die Rentenphase im Vergleich zu dem unmittelbar davor verdienten Einkommen ist. In den Niederlanden ist diese Quote weit höher als die knapp 50%, die wir aktuell in Deutschland erreichen, obwohl die Ausgaben für das staatliche Umlageverfahren dort nur halb so hoch sind wie bei uns (gemessen am BIP).

Es ist offensichtlich, dass dieser auch unter sozialpolitischen Gesichtspunkten gravierende Unterschied etwas mit der Verbreitung der privaten Altersvorsorge zu tun hat. Daher besteht nach meiner Einschätzung die begründete Hoffnung, dass neben all den politischen Kompromissen, die bei einem so zentralen Thema wie der Rente immer eingegangen werden müssen, die anstehende Rentenreform zu einer Ausdehnung der privaten Altersvorsorge führen wird. Diskutiert wird derzeit insbesondere, welche Maßnahmen man ergreifen könnte, um die Teilnahmequote an privaten Altersvorsorgesystemen gerade in kleinen und mittleren Unternehmen und bei Geringverdienenden zu erhöhen. Immerhin muss man bedenken, dass nach jüngeren Schätzungen nur etwa ein Drittel der abhängig Beschäftigten hierzulande in eine betriebliche Altersvorsorge einzahlt. Würde man die Rahmenbedingungen in signifikanter Weise ändern, hätte dies vermutlich einen starken Effekt auf das in diesem Altersvorsorgesystem angesparte Kapital.

Allein der dadurch ausgelöste Mittelzufluss würde unseren Kapitalmarkt innerhalb von wenigen Jahren spürbar verändern. Hinzu kommt ein möglicher weiterer Effekt. Die anhaltende Niedrigzinsphase führt uns nämlich immer deutlicher einen zentralen Schwachpunkt unseres privaten Altersvorsorgesystems vor Augen. Der Zwang zu Zinsgarantien hat in Verbindung mit einer überzogenen Solvenzregulierung dazu geführt, dass hiesige Pensionseinrichtungen de facto kaum am Aktienmarkt investieren. Die private Altersvorsorge degenerierte somit zu einer Form der Staatsfinanzierung. Hierzu sei angemerkt, dass deutsche Pensionskassen einen Aktienanteil von unter 5%, niederländische aber von rund 40% haben. Der Unterschied hat zu einem erheblichen Teil mit Regulierungsunterschieden zu tun: Denn dort, wo in Deutschland betriebliche Altersvorsorge außerhalb der strengen Versicherungsregulierung stattfindet, liegen diese Quoten ebenfalls in einer Größenordnung von weit über 20%.

Ausblick

Ob wir diesbezüglich in näherer Zukunft ein Umdenken erleben werden, vermag ich nicht abzuschätzen. Jedenfalls mehren sich aber die Stimmen, die diesen Konstruktionsfehler der privaten Altersvorsorge erkannt haben. Und mit jedem Monat, in welchem die Niedrigzinsphase weiter anhält, wird dieses Problem offensichtlicher. Möglicherweise wäre sogar die aktuell diskutierte Rentenreform ein hervorragender Anlass, um auch über die Defizite der betrieblichen und privaten Altersvorsorge zu sprechen. Und Vorschläge zu deren Beseitigung liegen ja schon vor. In diesem Fall wäre dann 2017 tatsächlich ein Jahr, in dem die Weichen für den hiesigen Kapitalmarkt völlig neu gestellt würden.

Der Artikel erschien zuerst in der Dezember-Ausgabe des GoingPublic Magazins

Urheber-Titelbild: Mopap/www.fotola.com

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