Bildnachweis: Bildquelle: Adobe Stock; © Right 3, Fabian Puls Bundesanzeiger Verlag GmbH.

Noch ist es ein Recht: Börsennotierte Unternehmen dürfen nach ARUG II die Daten ihrer Aktionäre erheben (lassen) und können dadurch interessante Erkenntnisse über die eigenen Aktionärsstruktur gewinnen. Allerdings: Kosten und Qualität der Erhebungen variieren und sind teilweise für Emittenten vorab schwer einzuschätzen. Eine von der Bundesanzeiger Verlag GmbH organisierte Onlinediskussion Anfang März brachte Licht ins Dunkel – und die Erkenntnis, dass die Zeit drängt: Ab dem 1. Januar 2025 müssen Unternehmen Aktionärsdaten auch an das Bundeszentralamt für Steuern übermitteln.

GoingPublic: Herr Puls, seit September 2020 haben Aktiengesellschaften das Recht, die Daten der Aktionäre zu erheben, auch durch die Beauftragung Dritter, sogenannter Intermediäre oder Institutionen, die Aktionärsregister führen. Welche Erfahrungen haben Sie bei der Bundesanzeiger Verlag GmbH damit bisher gemacht?

Fabian Puls: Nach mehr als zwei Jahren ARUG II können wir ein sehr positives Fazit ziehen. Der Gesetzgeber hatte das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie eingeführt, um es Emittenten zu ermöglichen, ihre Aktionäre umfangreich in geschäftspolitische Prozesse einzubeziehen.  Voraussetzung dafür war allerdings die zweifelsfreie Kenntnis der Identität der entsprechenden Aktionäre. Vor ARUG II konnten Aktionäre noch nicht vollständig identifiziert werden, da die gesetzliche Grundlage dafür fehlte.

Seit dem 3. September 2020 sind Emittenten berechtigt, Informationen über ihre Aktionäre bei Intermediären einzufordern. Im Gegensatz zu früheren Prozessen stellen wir fest, dass die Informationen deutlich ausführlicher sind und die Kosten für Emittenten stark reduziert wurden. Da die Kommunikation über SWIFT erfolgt, sind die Sicherheit und die Vertraulichkeit der Daten außerdem jederzeit gewährleistet.

Wie wird diese Leistung bisher abgefragt und wofür sind die Informationen verwendbar?

Fabian Puls ist Produktmanager bei der Bundesanzeiger Verlag GmbH. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) betreut er die Europäische Plattform für Aktionärsidentifikation und –information (DPAii).

Auf ein Aktionärsidentifikationsersuchen erhalten wir als Europäische Plattform für Aktionärsidentifikation und -information (DPAii) von Intermediären bereits nach fünf bis sechs Werktagen Informationen zu über 90% der Anteilseigner. Auf Basis der gelieferten und aufbereiteten Daten erhalten die Emittenten dann nicht nur eine schnelle und detaillierte Übersicht ihrer Aktionäre: Wir stellen ihnen die Informationen zusätzlich grafisch aufbereitet und strukturell analysiert zur Verfügung. Diese Informationen können Emittenten für verschiedene Zwecke nutzen.

Die Adressdaten der Aktionäre helfen z.B., regionale Strukturen aufzudecken. Diese Informationen unterstützen eine effizientere Roadshowplanung und ermöglichen eine gezielte Ansprache. Die Daten können überdies zur Vorbereitung der jährlichen Jahreshauptversammlung verwendet werden. Mithilfe der Identifikationsergebnisse kann auch überprüft werden, welche Aktionäre im Bereich wichtiger Schwellenwerte liegen und welche Aktionäre stimmberechtigt sein werden. Konkrete Beispiele aus der Praxis haben gezeigt, dass eine Identifikation sechs Wochen vor der Hauptversammlung sinnvoll ist.

Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Die EU hat bisher nicht eindeutig und transparent geklärt, welche Kosten im Rahmen des Identifikationsprozesses erstattungsfähig sind – daher sind die Gesamtkosten für Emittenten aktuell noch schwer zu kalkulieren. Durch die großen Unterschiede bei der Rechnungsstellung macht sich bei einzelnen Emittenten ein Rückgang an Aktionärsidentifikationsaufträgen bemerkbar. Die Überarbeitung der Erstattungsfähigkeit von Kosten der Intermediäre gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 AktG ist für uns daher eine notwendige Maßnahme vonseiten des Gesetzgebers.

In einer von der Bundesanzeiger Verlag GmbH organisierten Onlinediskussion am 1. März haben Sie sich mit Fachleuten und Emittenten über die Details der Gesetzeslage nach ARUG II ausgetauscht. Unter anderem ging es darum, wie aus dem Recht zur Aktionärsdatenabfrage binnen weniger Jahre eine Pflicht werden kann.

Ab dem 1. Januar 2025 wird für die Gewinnverteilungsbeschlüsse die Verpflichtung zur Übermittlung von Aktionärsdaten an das Bundeszentralamt für Steuern wirksam. Dies geschieht gemäß dem Mitteilungsverfahren Kapitalertragsteuer auf Dividenden aus Aktien und Hinterlegungsscheinen (MiKaDiv) und betrifft alle inländischen börsennotierten Gesellschaften. Das bedeutet für Emittenten, dass ab diesem Zeitpunkt mindestens einmal pro Jahr eine Aktionärsidentifikation durchgeführt werden muss. Eine Verschiebung der Meldepflicht an die Steuerbehörden soll es in diesem Zusammenhang nicht geben, daher wird das Bundeszentralamt in der Übergangszeit voraussichtlich weitere Veröffentlichungen und Testphasen durchführen, um den Meldepflichtprozess bis 2025 funktionsfähig zu gestalten.

Welche Daten sollen hier übermittelt werden, wann genau und in welchen Abständen?

Zum genauen Umfang der Daten ist noch nichts bekannt. Wir gehen allerdings davon aus, dass man sich hier an den Ergebnissen eines Aktionärsidentifikationsersuchens orientieren wird. Diese umfassen z.B. die eindeutige Kennung des Aktionärs, den Namen und ggf. den Vornamen, die vollständige Anschrift inkl. Ländercode, die E-Mail-Adresse (sofern vom Intermediär geliefert), die Art der Beteiligung, die Anzahl der gehaltenen Aktien und weitere Angaben. Was den Zeitpunkt der Übermittlung angeht, verweist § 45b Abs. 9 EStG auf den Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses nach 31. Dezember 2024. Demnach gilt dann eine „unverzügliche“ Meldefrist.

Ein weiteres wichtiges Thema bei der Onlinediskussion war und ist nach wie vor die Kostenfrage bei der Aktionärsidentifikation. Für Emittenten ist der Aufwand derzeit nicht immer überschaubar, denn neben den Dienstleistern, die mit der Datenerhebung beauftragt werden, verlangen auch die Lieferanten der Daten (Intermediäre) manchmal zusätzliche Gebühren, die dann an die Kunden, also die jeweiligen Unternehmen/Emittenten gehen. Wie ist damit umzugehen?

Der Gesetzgeber hat das Thema Kosten im § 67f AktG – Kosten; Verordnungsermächtigung geregelt. In der Praxis sind die Kosten allerdings sehr heterogen und für den Emittenten schlecht kalkulierbar. Die Höhe der Rechnungen variiert häufig und fällt europaweit sehr unterschiedlich aus. Nach Meinung der Diskussionsteilnehmer sind die Kosten intransparent, zu hoch und nicht praxisnah.

Experten hatten im Rahmen der Onlinediskussion hilfreiche Tipps für Emittenten, um ihre Interessen zu wahren: Sie rieten Emittenten, die Rechnung bei der Rechnungsstellung formell und materiell zu prüfen und sie ggf. mit dem Verweis auf einen konkreten Missstand zurückzuweisen. Bei Maßnahmen zur Durchsetzung der Zahlungsforderung empfahlen die Experten, sich gegen die jeweilige Durchsetzungsmaßnahme zu verteidigen.

Im Fall einer Weigerung zur Durchführung nachfolgender Aktionärsidentifikationsverlangen haben Emittenten die Möglichkeit, auf die Gründe der Rechnungszurückweisung und einen Ordnungswidrigkeitentatbestand hinzuweisen und zur Durchführung der Aktionärsidentifikation aufzufordern. Die nächsten möglichen Schritte wären dann eine Anzeige des Sachverhalts bei den Ordnungswidrigkeitenbehörden und eine Klage auf Informationserteilung.

Darüber hinaus empfehlen wir Emittenten, sich nach dem Erhalt einer Rechnung an Interessenvertretungen oder Verbände, den Gesetzgeber, Aufsichts- und Ordnungswidrigkeitenbehörden oder Rechtsberater zu wenden. Als DPAii stehen wir ihnen bei sämtlichen Fragen gerne mit unserer Expertise und unserem Netzwerk zur Verfügung.

Was liegt Ihnen bei der Debatte um die weitere Umsetzung von ARUG II noch besonders am Herzen?

Wir bewerten ARUG II als großen Erfolg, von dem alle Beteiligten profitieren. Es sollte daher im Interesse aller Marktakteure sein, dass die Qualität der Aktionärsidentifikationsergebnisse nicht unter der aktuellen Intransparenz der Kosten leidet. Im Hinblick auf die Meldepflicht ab 2025 besteht also zeitnaher Handlungsbedarf, um für die Kostenstruktur der Intermediäre Marktstandards zu schaffen und durchzusetzen. Aus unserer Sicht kann nur so dem Willen des Gesetzgebers entsprochen werden.

Das Interview wurde von Simone Boehringer schriftlich geführt.

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.