Air Berlin – Firmensitz in Berlin Foto: Sven Wolter, Wikimedia Commons.
Holger Hinz

Aktien gegenwärtig im Sentiment-Nachrang

Das wiederholt auch Holger Hinz von der u.a. bei Air Berlin – gleich dreimal – beteiligten quirin bank fast schon gebetsmühlenartig: „Art und Auswahl der Emittenten belegen, dass dieser Markt ein Hochzinsmarkt mit ebensolchen Risiken für Anleger ist.“ Dass sich der IBO-Markt gegenüber dem IPO-Markt so gut und konstant hält, interpretieren Hellfritsch und Hinz ähnlich: „Die vermeintliche Sicherheit sehen die Anleger im Markt für Mittelstandsanleihen, nicht bei Aktien. Gleichfalls gibt es hier nach wie vor eine große Übereinstimmung bei den Preisvorstellungen von Investoren und Unternehmen“, so Hellfritsch. Anders als eben bei Aktien, wie der neuerliche Rückzieher von Evonik Ende Juni zeige: „Deutsche Emittenten sind derzeit nicht zur Reduzierung ihrer Preisvorstellungen bereit“, beklagt Hinz. Bei den Mittelstandsanleihen müssen erst gar keine Abschläge gemacht werden, fahren die Investoren doch mehr auf bekannte Markennamen ab als auf Ratingnoten (die kaum jemand richtig ernst nimmt) oder Kennzahlen (die kaum jemand richtig nachschlägt). So sind wir also, wo wir sind.

Börse Düsseldorf; Foto: ZH2010 – Wikimedia Commons

Reform der Marktsegmente

Zu Ungunsten der Börsen als Aufnahmemöglichkeit für Eigenkapital schlägt zudem die Reformierung des Open Markets zu Buche (siehe auch GoingPublic Magazin 5/2012 sowie Sonderausgabe „Kapitalmarktrecht 2012“), darin sind sich die meisten Marktteilnehmer einig. Während Hellfritsch u.a. die gestiegenen Anforderungen an die Prospektpflicht zitiert und daraus immerhin eine steigende Qualität künftiger Börsenkandidaten herleitet, vermag Hinz keinen rechten Gefallen an den gegenwärtigen Reformen zu erkennen: „Auf der Bond-Seite sind das jedenfalls nur Kleinigkeiten, hingegen lassen die Veränderungen auf der Aktienseite jeden gesunden Weitblick für die eigentlich einmal gewünschte Möglichkeit der Börsennotierung von mittelständischen Unternehmen vermissen.“ Er sieht ein wichtiges Element zur Verbreiterung des Finanzierungsspektrums unattraktiver gemacht, erst recht, wenn man die durch Basel III getriebene rückläufige Kreditvergabepolitik der Finanzhäuser antizipiert. Mit der Meinung steht Hinz nicht allein da: Die Regionalbörsen ziehen die harte Frankfurter Linie nicht unisono mit, sondern eröffnen wie gerade die Börse Düsseldorf mit ihrer kleinen Marktsegmentreform alternative Gleise. Die weitere Entwicklung verspricht spannend zu werden.

Fazit

Normalerweise schreibt man an dieser Stelle so etwas Profanvisonäres wie „Es kann eigentlich nur besser werden“, doch geht der Satz nicht ganz so leicht über die Tastatur wie noch vor einem Jahr. Die Aussichten für den deutschen Primärmarkt sind mehr als neblig; niemand will hierbei eine mutige Prognose für die nächsten sechs bis zwölf Monate wagen. Anders für den Markt der Mittelstandsanleihen: Hier ist es umgekehrt. Dass dessen Perspektiven durch die Bank weg reichlich positiv eingeschätzt werden, hinterlässt etwas Reststutzigkeit. Seine echte Bewährungsprobe steht noch aus – hoffentlich aber nicht dadurch, dass chinesische Emittenten auch noch das B statt des P für sich entdecken und wir im nächsten Schritt chinesische Mittelstands-Anleihesegmente bekommen.

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