Angaben in EUR, Kurse vom 20. Juli 2012; Quelle: GoingPublic Research

Frankfurt sehen und sterben

Um eine Größenordnung zu bemühen: Zur Jahresmitte hatten laut China Securities Regulatory Commission (CSRC) mehr als 700 chinesische Unternehmen eine Notierung auf ihrem Heimatmarkt beantragt, davon fast die Hälfte für die ChiNext in Shenzhen. Bei diesem Ansturm legt die CSRC die Messlatte zunehmend höher: Unternehmen, die nur geringe Gewinne ausweisen oder gar einen Verlust im ersten Halbjahr zu beklagen haben, brauchen sich erst gar nicht zu bewerben. Das qualifiziert sie dann wohl für ein Listing in Übersee, namentlich Deutschland. Gemäß Papierform sind sie jedoch allesamt irre profitabel und müssten ein Eldorado für Value-Investoren bieten – Anleger scheint das einstweilen nicht zu interessieren. Das könnte sich lediglich ändern, würden es die Chinesen schaffen, ihre vermeintlich üppigen Profite beispielsweise als Dividende an ihre leidgeplagten deutschen Investoren auszuschütten. Dass das bislang unterblieben ist, hinterlässt reichlich Interpretationsspielraum.

Die sogenannte Benchmark bildet jedoch nur im Stuttgarter Bondm notierte Anleihen ab und wird zudem durch Air Berlin verzerrt. Quelle: TaiPan

Notierungen bei 60% der Buchwerte

Möglicherweise hilft ein Blick von Osten nach Westen. Einem einzigen chinesischen Börsengang in den USA stehen 19 Delistings im ersten Halbjahr 2012 gegenüber. 2011 gab es über 40 Delistings, nach nur drei im Jahr 2010. Nach verschiedentlichen Skandalen scheint der US-Heimatboden verbrannt. Das vorgebliche Spezialholzunternehmen Sino Forest platzte ziemlich genau vor einem Jahr und dürfte mit hauptverantwortlich für den vehementen Glaubwürdigkeitsverlust der letzten zwölf Monate sein. Die hier notierte Asian Bamboo (siehe Tabelle) konnte noch so viel argumentieren – Sippenhaft ist Sippenhaft. Und noch ein Vergleich: Chinesische Emittenten notieren in den USA mit Kurs-Buch-Verhältnissen weit unter 1 (Median: ca. 0,6) und Kurs-Gewinn-Verhältnissen von im Schnitt unter 5. KGVs unserer deutsch-chinesischen Börsentitel von 3 bis 4 scheinen beklagenswert, sind so außergewöhnlich aber doch nicht: Nimmt man ein KGV von ca. 10 als Ausgangsbasis für die zumeist traditionell belegten Sektoren wie Maschinenbau, Kleidung und Nahrungsmittel und zieht dann aufgrund völliger Illiquidität im Handel ein Drittel und ein weiteres aufgrund des virulenten Vertrauensverlusts ab, so sind die aktuell niedrigen Kurse nur noch vermeintlich nicht-rational.

Chinesische Unternehmen spüren den Gegenwind: Gegenüber einem Währungskorb („REER“) hat der Yuan (CNY) seit 2005 fast 30% zugelegt, der USD dagegen ca. 10% nachgegeben. Quelle: BIS, Haver Analytics, Morgan Stanley Research
Ralf Hellfritsch

Drei Insolvenzen bei Anleiheemittenten: na und?

Von Vertrauensverlusten sind hiesige IBOs (B für Bonds) noch meilenwert entfernt, obwohl im zweiten Quartal mit SIAG Schaaf Industrie, bkn biostrom und Solarwatt gleich drei Bond-Emittenten in die Insolvenz gingen. „Der Markt ist insbesondere durch Schieflagen von Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien belastet. Anlegern ist mittlerweile schmerzhaft bewusst geworden, dass eine Mittelstandsanleihe mit hohen Risiken verbunden ist, die bis zum Totalausfall führen können“, erläutert Ralf Hellfritsch von der BankM gegenüber dem GoingPublic Magazin. In der Tat ließen sich SIAG, bkn und Solarwatt allesamt durch ihre Branchenzugehörigkeit hinfort interpretieren.

Karenzzeit bis 2015? – schwer zu glauben

Die eigentliche Bewährungsprobe kommt erst noch: „Spätestens 2015 oder 2016 steht bei einem Großteil der Mittelstandsanleihen die Rückzahlung an. Nur wenn diese planmäßig erfolgt und keine oder nur sehr wenige Ausfälle zu verzeichnen sind, wird der Markt für Mittelstandsanleihen langfristig erfolgreich sein können“, so Hellfritsch. So fern dieses Datum noch liegen mag, so unwahrscheinlich ist jedoch, dass alle mittlerweile schon rund 50 Emittenten der notierten Mittelstandsanleihen bis dahin stets ihre Zinskupons bedienen können. Früher oder später wird sich darunter auch das erste nicht im EE-Bereich angesiedelte Unternehmen befinden – das scheint die wirkliche und zeitnahe Bewährungsprobe zu werden.