Bei der schon nach alter Kodex-Fassung erforderlichen Zielfestlegung für seine Zusammensetzung (Ziff. 5.4.1 Abs. 2 und 3 DCGK) muss der Aufsichtsrat nunmehr diese verschärften Unabhängigkeitskriterien im Rahmen der Entsprechenserklärung berücksichtigen und außerdem auch in den konkreten Wahlvorschlägen für die kommende HV-Saison.

Fallstrick: (Geschäfts-)Beziehungen
Der Kodex empfiehlt seit seiner Neufassung im Juni 2012 über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehend, dass bei Wahlvorschlägen an die Hauptversammlung die „persönlichen und geschäftlichen Beziehungen“ jedes Kandidaten zum Unternehmen, den Organen der Gesellschaft und einem wesentlich (direkt oder indirekt mit mehr als 10% der stimmberechtigten Aktien) an der Gesellschaft beteiligten Aktionär offengelegt werden (Ziff. 5.4.1 Abs. 4 bis 6 DCGK). Damit soll bei Aufsichtsratswahlen für die Aktionäre eine Transparenz bereits unterhalb der Schwelle der fehlenden Unabhängigkeit erreicht werden. Welche Beziehungen in concreto erfasst werden, ist – wie bereits bei der Definition der Unabhängigkeit – unklar und auch die Einschränkung des Kodex, dass nur solche Umstände offen zu legen sind, die nach der Einschätzung des Aufsichtsrats ein objektiv urteilender Aktionär für seine Wahlentscheidung als maßgebend ansehen würde, hilft kaum weiter (vgl. etwa Paschos/Goslar, NZG 2012, 1361, 1365 f. m. w. Nachw.). So können „persönliche Beziehungen“ ein weites (und möglicherweise interessantes) Feld sein. In der Sache kann es hier aber – wie bei anderen Rechtsvorschriften, die persönliche Zusammenhänge betreffen (z.B. § 138 InsO, § 15a Abs. 3 WpHG) –, nur um Beziehungen zwischen dem Kandidaten und seinem Ehepartner, eingetragenen Lebenspartner, unterhaltsberechtigten Kindern oder Verwandten, die seit mindestens einem Jahr im Haushalt leben, gehen, die entweder Organ oder wesentlich beteiligter Aktionär der Gesellschaft bzw. Mitglied des Vertretungsorgans eines solchen Aktionärs sind. Für die ebenfalls erfassten geschäftlichen Beziehungen fehlt es auch an klaren Orientierungspunkten. Letztlich wird es darauf ankommen, ob es geschäftliche Abhängigkeiten gibt, insbesondere wenn die geschäftliche Beziehung von erheblicher Bedeutung für das Unternehmen ist. Angesichts dieser Unklarheiten wurde daher sogar gelegentlich angeregt, vorsorglich eine Abweichung von dieser Kodexempfehlung zu erklären. Allerdings hat nur ein DAX-Unternehmen in der aktuellen Entsprechenserklärung „höchstvorsorglich“ eine Abweichung von dieser Empfehlung erklärt (Volkswagen AG).

Die jüngste Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) hat vielfältige Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und die Wahl seiner Mitglieder. Foto: Schuppler

Fallstrick: Form der Offenlegung
Hinsichtlich der Form der Offenlegung bietet sich zum einen die Internetseite der Gesellschaft oder aber die Tagesordnung selbst an. Die Praxis scheint bislang zu einer Darstellung in der Tagesordnung zu tendieren. Die Stimmrechtsberater (darunter auch die SdK und DSW) verlangen schließlich über Gesetz und Kodex hinausgehende weitere Informationen zu den Kandidaten und dem Auswahlprozess im Vorfeld der Hauptversammlung, sodass insbesondere Kurzlebensläufe in der Praxis zunehmend bei Aufsichtsratswahlen auf der Internetseite eingestellt werden. Da diese die maßgeblichen Informationen zu den Kodex-Angaben nach Ziffer 5.4.1 Abs. 4 – 6 DCGK ebenfalls enthalten und darauf abgestimmt sein müssen, wird hier vorgeschlagen, alle gesetzlich nicht vorgeschriebenen Informationen zu den Kandidaten außerhalb der Tagesordnung ab deren Veröffentlichung auf der Internetseite des Unternehmens zugänglich zu machen. Der Wortlaut der Kodex-Empfehlung („bei seinen Wahlvorschlägen“ anstelle von „mit“ oder „in“) lässt diese Handhabe ohne Anfechtungsrisiko zu, zumindest solange noch keine kodexauslegende anderweitige Judikatur dazu bekannt ist (so im Ergebnis auch Paschos/Goslar, aaO. S. 1365).

Schon fast zum Standard gehören Angaben in der Tagesordnung zu diversen bereits seit längerem bestehenden Kodexempfehlungen, wie etwa der Hinweis, dass der Wahlvorschlag auf einer entsprechenden Empfehlung des Nominierungsausschusses beruht (Ziff. 5.3.3 DCGK). Auch Kandidatenvorschläge für den Aufsichtsratsvorsitz werden den Aktionären regelmäßig, soweit einschlägig, in der Tagesordnung bekannt gegeben (Ziff. 5.4.3 S. 2 DCGK). Und selbst wenn man sich kaum noch an Listenwahlen zum Aufsichtsrat erinnern kann, fehlt in der Regel auch der Hinweis nicht, dass die Wahlen als Einzelwahl durchgeführt werden (Ziff. 5.4.3. S. 1 DCGK), zumal eine entsprechende Klarstellung in der Tagesordnung etwa von der Stimmrechtsberatung ISS explizit gefordert wird.

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