Von größter praktischer Bedeutung und zugleich höchst umstritten sind die Auswirkungen einer angefochtenen Wahl auf die zwischenzeitliche Beschlussfassung im Aufsichtsrat. Foto: olly/fotolia.de

 

Folgen einer Anfechtung

Von größter praktischer Bedeutung und zugleich höchst umstritten sind die Auswirkungen einer angefochtenen Wahl – bloße Anfechtbarkeit spielt keine Rolle – auf die zwischenzeitliche Beschlussfassung im Aufsichtsrat. Die (noch?) h.M. misst einer erfolgreichen Anfechtung grundsätzlich ex tunc-Wirkung bei, was zur rückwirkenden Nichtigkeit der Stimmabgaben sämtlicher fehlerhaft bestellten Aufsichtsratsmitglieder und – die Erheblichkeit der Stimmen für das Beschlussergebnis unterstellt – der betroffenen Beschlüsse führt. Angesichts der Bedeutung der in die Kompetenz des Aufsichtsrats fallenden Beschlussgegenstände – u.a. Bestellung und Abberufung des Vorstands, Billigung des Jahresabschlusses etc. – ist das ein fatales Resultat. Abhilfestrategien wie die Amtsniederlegung und anschließende gerichtliche Neubestellung oder ein Bestätigungsbeschluss der Hauptversammlung bieten keine für die Praxis wirklich befriedigenden Lösungen.

Der Standpunkt der (noch?) h.M. erstaunt um so mehr, als mit der Lehre vom fehlerhaften Organ eine erprobte Rechtsfigur bereit steht, die dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Bestand von nach außen wirkenden Organakten ungeachtet etwaiger Mängel der Bestellung Rechnung trägt. Auf den fehlerhaft bestellten Vorstand findet dieser Grundsatz unbestritten Anwendung – und Gleiches gilt nach h.M. auch hinsichtlich der Pflichtenstellung und des Vergütungsanspruchs des fehlerhaft gewählten Aufsichtsratsmitglieds. Es ist daher nur konsequent, wenn sich die Lehre vom fehlerhaften Organ – von schwersten Bestellungsmängeln einmal abgesehen – sowohl in der jüngeren Kommentarliteratur als auch in neueren obergerichtlichen Entscheidungen in Bezug auf die Amtsstellung anfechtbar gewählter Aufsichtratsmitglieder insgesamt durchzusetzen beginnt, und es bleibt zu hoffen, dass der BGH bald Gelegenheit bekommt, diese Entwicklung zu bestätigen.

Fazit

Bei Aufsichtsratswahlen ist eine gute Vorbereitung mehr als die sprichwörtliche „halbe Miete“. Kommt es dennoch zu anfechtungsbegründenden Fehlern, besteht zunehmend Aussicht, dass die Gerichte die Folgen einer erfolgreichen Anfechtung für die Beschlussfassung im Aufsichtsrat auf die Zukunft beschränken.

Autor/Autorin

1
2