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Welle an Distressed Deals bislang ausgefallen

Ausgefallen ist bislang eine Welle an Distressed Deals, da sind sich die Befragten weitgehend einig. „Vielmehr stehen Zielunternehmen im Fokus, deren Geschäftsmodell sich in den vergangenen Monaten als stabil erwiesen oder von den veränderten Umständen sogar profitiert hat“, betont Messinger.

Boche hingegen beobachtet in letzter Zeit mehr Transaktionen mit Distressed Assets. „Diese Zielgesellschaften sind allerdings in der Regel nicht durch die Pandemie in eine Schieflage geraten, sondern waren schon vorher oder unabhängig davon aufgrund ihres Geschäftsmodells oder schlechten Managements nicht profitabel.“

Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Zielgesellschaften würden sich keine generellen Corona-Ausschlüsse in Versicherungspolicen finden. Das Thema werde in den Underwriting-Fragen adressiert. „Ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für spezifische Risikobereiche, etwa Störungen im Bereich der Lieferantenverträge, so wird das für die betroffenen Garantien dadurch gelöst, dass die Police im Warranty-Spreadsheet konkrete Einschränkungen vorsieht“, erklärt die Expertin. Etwa indem die Pflichten der Vertragsparteien unter den Lieferverträgen nur nach bestem Wissen der Verkäufer und nicht objektiv, wie im Wortlaut des Unternehmenskaufvertrages ursprünglich vorgesehen, erfüllt werden müssen.

Futterlieb sieht ebenfalls eine höhere Anzahl an Distressed-Transaktionen in den vergangenen Monaten.: „Mittelfristig erwarten wir eine deutliche Zunahme.“

Engels widerspricht: Man habe im Zusammenhang mit Distressed M&A nicht mehr Anfragen als sonst. Auch er rechnet aber damit, „dass sich das in den nächsten Monaten ändern könnte.“ Für die Distressed Deals erwartet er eine Verschärfung der Due-Diligence-Anforderungen durch die Versicherer: „Somit sollen Deckungseinschränkungen in den Policen möglichst vermieden werden“ Prüfungsschwerpunkt seien die zu versichernden kaufvertraglichen Garantien. „Allerdings sind Deckungseinschränkungen besonders bei den Finanzgarantien am wahrscheinlichsten. Eine W&I Versicherung wird nicht für die Ursachen der Distressed-Situation aufkommen.“

Neue Player und einige Akquisitionen

Ein boomender M&A Markt, gepaart mit häufiger eingesetzten W&I Policen, das könnte neue Player anlocken. „Nach wie vor drängen neue Teilnehmer in den deutschen Markt, vor allem aus den USA und London“, bestätigt Rasner. „Angesichts des enormen Potenzials ist das wenig überraschend.“ Hinzu komme, dass sich der Markt verbreitert hat: W&I Insurance werde auch im Lower-Mid-Cap-Segment zum Normalfall. „Auf diese Deals haben sich einige Anbieter fokussiert, indem sie vergleichsweise niedrige Mindestprämien verlangen, so dass der Kuchen für alle groß genug bleibt.“

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Boche erkennt eine zunehmende Spezialisierung: „Die Versicherer grenzen sich mittlerweile durch eine Fokussierung der von ihnen versicherten Deals und klare Kommunikation ihres Risikoappetits voneinander ab – keine Start-Up oder Distressed Cases, keine regulierten Zielgesellschaften.“

Bei großen Deals, in denen die Kapazitäten über Versicherungsprogramme in der Tower-Struktur zur Verfügung gestellt werden, „gilt dies entsprechend für die Rolle des führenden Versicherers, der den Underwriting-Prozess koordiniert und die Grunddeckung stellt“.

Auch Messinger sieht eine Ausdifferenzierung: „Bei Deal-Größe und der Höhe der Deckungssummen zeichnet sich eine gewisse Marktsegmentierung ab.“ Während einige Anbieter laut dem Experten eher den Small-Cap-Bereich im Blick hätten, konzentrierten sich andere auf den oberen Mid- und Large-Cap-Bereich. Engels betont, dass der Markt weiterhin wachse – sowohl bei den Kapazitäten an Versicherungskapital insgesamt als auch pro Deal. So entstehen seiner Meinung nach auch neue Player oder kämen aus dem Ausland nach Deutschland.

PIB Group übernimmt Acquinex

Zwei Beispiele sind im laufenden Jahr zu nennen: Die Übernahme von Willis Towers Watson durch den Versicherungsberater und -dienstleister AON bahnt sich an. Zuletzt gab es allerdings massiven Gegenwind für den geplanten Deal: Das US-Justizministerium hat Klage gegen die Übernahme eingereicht. Grund ist die marktbeherrschende Stellung des neuen Unternehmens. AON plc ist eine in Chicago gegründete Gesellschaft mit Sitz in London, deren Aktien an der NYSE gehandelt werden. Willis Towers Watson Public Limited Company hat ihren Firmensitz ebenfalls in London, ist aber eine Aktiengesellschaft irischen Rechts. Geführt werden soll das Unternehmen künftig vom AON-Chef Greg Case unter dem Namen AON. Falls die EU den Deal genehmigt, wird sich der neue Eigentümer von einer Reihe bedeutender Willis-Teile trennen müssen, heißt es bei Beobachtern.

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Eine weitere Akquisition ist bereits fix: Die PIB Group Ltd hat die Übernahme der Acquinex-Unternehmensgruppe abgeschlossen. Acquinex ist eine spezialisierte Managing General Agency, ein Assekuradeur. Das Unternehmen konzentriert sich auf W&I Versicherungen für den Mittelstand sowie SME-Transaktionen in ganz Europa. Acquinex Standorte befinden sich in Großbritannien, Deutschland, Polen und Dänemark. Assekuradeure sind Gesellschaften, die in eigenem Namen, aber auf Rechnung eines Versicherungsunternehmens Policen zeichnen – vergleichbar dem Underwriter des britischen Versicherungsmarktes. Acquinex führt zudem die Schadenregulierung durch. PIB ist erst 2015 als Versicherungsbroker und Risk-Manager in London gegründet worden. Im Januar 2021 ist die Firma von der Carlyle-Group übernommen worden.

Fazit

Der M&A Markt hat sich rasend schnell von der Pandemie erholt, gleichzeitig schreitet die Verbreitung von W&I Policen in Deutschland weiter voran. Dafür gibt es mehrere Gründe: Suderow nennt den Schutz der Parteien und das Überbrücken von Differenzen zwischen Käufer und Verkäufer. Hinzu kommt, dass Versicherer die Passgenauigkeit der Angebote verbessern. Policen können mittlerweile auch bei kleineren Transaktionen sinnvoll eingesetzt werden. Damit hat das Instrument den Status eines Standard-Werkzeugs im M&A Prozess erreicht und wird langfristig bei einer immer größeren Zahl an Transaktionen nicht mehr wegzudenken sein.

Autor/Autorin

Stefan Preuss

Stefan Preuß ist Mitglied der GoingPublic Redaktion.