Viel ist über ARUG II geschrieben und diskutiert worden; allein getan hat sich bislang wenig. Doch die Zeit drängt – am 3. September 2020 müssen Emittenten, Banken und auch HV-Dienstleister ARUG-ready sein. Und danach sieht es derzeit nicht aus. So ist z.B. in Spanien das ARUG II bislang noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden. Ein Appell an die Vernunft aller. Von Bernhard Orlik

Wie bereits im HV Magazin 1/2020 auf den Seiten 18 bis 20 beschrieben, muss sich insbesondere der Prozess der Anmeldung für Emittenten von Inhaberaktien ändern. Während die Form und Frist der Einberufung zu einer Hauptversammlung im Bundesanzeiger unverändert zur bisherigen Praxis bleiben, so werden sich Inhalt, Form und Fristen der Mitteilung nach § 125 AktG, also die Informationen, die über die Banken direkt an den Aktionär gesendet werden, radikal ändern. Aber auch das Procedere, wie sich Aktionäre mit Inhaberaktien zur Hauptversammlung anmelden und/oder Vollmacht und Weisung geben können, wird infolge der EU-Durchführungsverordnung 2018/1212 komplett überarbeitet werden müssen. Dies bietet in Deutschland die Chance, ein seit 30 Jahren tradiertes Verfahren neu und zeitgemäßer zu gestalten.

In diversen Arbeitskreisen, z.B. vom Deutschem Aktieninstitut oder dem Bundesverband der deutschen Banken, werden nun Mittel und Wege gesucht, den Anmeldeprozess ARUG-konform zu gestalten. Die Zielsetzung ist hier jeweils eine komplett andere, hat man den Eindruck: Während die Banken verständlicherweise versuchen, viele der bisher etablierten Prozesse (und Systeme) beizubehalten, um den Anforderungen zu genügen, sehen auf der anderen Seite Emittenten und deren HV-Dienstleister die Chance, den Prozess der HV-Anmeldung sowie Vollmachts- und Weisungserteilung zu beschleunigen und zu digitalisieren.

Umsetzungszeitraum: zwei Jahre plus x

Inhaltlich schreibt die am 3. September 2018 verkündete Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212 der Kommission genau vor, wie die Identifizierung der Aktionäre, die Informationsübermittlung und die Erleichterung der Ausübung der Aktionärsrechte ab dem 3. September 2020 auszusehen haben. Alle Beteiligten haben also zwei Jahre Zeit (gehabt), sich auf die Vorgaben einzustellen. Hauptversammlungen in Luxemburg verwenden beispielsweise die für die Form von Hauptversammlungseinladungen relevante Tabelle drei der EUDVO bereits seit Beginn des Jahres.

Eine Grundidee von ARUG II ist, die grenzüberschreitende Stimmrechtsausübung und Teilnahme an der HV zu erleichtern. Dies bedingt, dass in den europäischen Ländern abgestimmt Prozesse für die Anmeldung zur HV und die Stimmrechtsausübung definiert sind. Genau an dieser Stelle hakt es derzeit aber noch. Wie bereits erwähnt, haben einige Länder die europäischen Vorgaben noch nicht einmal in nationales Recht umgesetzt, obwohl die Frist dafür bereits am 10. Juni 2019 abgelaufen ist.

Neben den inhaltlichen Fragen und der Anpassung der IT-Systeme der Banken muss auch noch das bereits 1973 eingeführte SWIFT-System angepasst werden. Hier gilt es, den neuen ISO-20022-Standard zu implementieren.

Handlungszeitraum: sechs Monate minus x

Stand jetzt sieht es nicht danach aus, dass Deutschland es fristgerecht schaffen wird, die Strukturen für eine digitale Reformierung der Bankenprozesse Inhaberaktien betreffend zu schaffen. Ein einfacher Lösungsansatz wäre, dass Aktionäre – wie man dies schon von Namensaktien kennt – sich selbst anmelden; Voraussetzung hierfür ist, dass die Banken dem Aktionär einen Nachweis nach Tabelle vier der DVO 2018/1212 zur Verfügung stellen. Die zu machenden Angaben sollten bereits heute in den Banksystemen zu finden sein.

Wieso also nicht dem Aktionär einen derartigen Bestandsnachweis in sein elektronisches Postfach (oder per E-Mail oder – zur Not – per Post) zusammen mit den Informationen zu der anstehenden Hauptversammlung ab dem 21. Tag vor der HV unaufgefordert zur Verfügung stellen. Diesen Nachweis könnte der Aktionär dann über ein Aktionärsportal, wie man es auch von Namensaktien kennt, hochladen. Mit dem Upload und der Verifizierung des Bestandsnachweises wäre dann auch die nach Satzung erforderliche Anmeldung getätigt. Unmittelbar und ohne jeden weiteren Zwischenschritt könnte der Aktionär dann über das Internetportal Eintrittskarten bestellen, Vollmacht und Weisungen an z.B. Stimmrechtsvertreter oder Aktionärsgemeinschaften erteilen oder eine Briefwahlstimme abgeben. Sehr zu wünschen wäre, dass ein solches Vorgehen auf europäischer Ebene abgestimmt wäre.

Die Zukunft beginnt jetzt

Zur Diskussion steht mittlerweile auch, noch einmal einen Aufschub für das Inkrafttreten der Durchführungsverordnung 2018/1212 zu erreichen, nämlich von bis zu einem Jahr. Sollte diese Verlängerung in Anspruch genommen werden, muss sichergestellt sein, dass die gewonnene Zeit für zielgerichtete und effektive Aktionen verwendet wird, um dann 2021 den Kapitalmarktteilnehmern ein leistungsfähiges und modernes System anbieten zu können.

Dieser Artikel erschien zuerst am 28. März in unserem Jahres-Special Corporate Finance Recht 2020.

Autor/Autorin

Bernhard Orlik

Bernhard Orlik ist Head of Client Services bei der Computershare Deutschland GmbH & Co. KG.