Wenn nach der Einberufung zur Hauptversammlung (HV) im Bundesanzeiger Umstände bekannt werden, welche die Durchführung der HV riskant, unmöglich oder unnötig machen, muss die Einberufung wieder zurückgenommen und die HV abgesagt werden. Wie dies im Einzelnen umgesetzt wird und was dabei zu beachten ist, wird im Folgenden dargestellt.

Anwendungsfälle

Karl Richter und Joachim Lorenzen, Management-Consultants, UBJ. GmbH
Karl Richter und Joachim Lorenzen, Management-Consultants, UBJ. GmbH

Die Absage der HV kann erforderlich werden, wenn nach der Einberufung, also der Veröffentlichung der Einladung zur HV mit der Tagesordnung im Bundesanzeiger, im Einberufungstext gravierende Fehler auffallen (z.B. fehlerhaft bestimmte Fristen oder das Fehlen gesetzlich gebotener Informationen), durch welche die Beschlüsse der HV anfechtbar oder nichtig werden können und eine fristgerechte Neueinberufung für den originär angesetzten HV-Termin nicht mehr einzuhalten ist. In diesem Fall ist die Absage der HV sogar äußerst ratsam, um die Kosten eines etwaigen Anfechtungsprozesses zu umgehen. Ein weiterer typischer Fall der HV-Absage ist der, dass nach der Einberufung ein Ereignis eintritt, welches die Durchführung der HV nicht mehr notwendig erscheinen lässt (z.B. die Einigung mit Klägern vor einer HV mit Bestätigungsbeschlüssen gem. § 244 AktG). Zwar bestehen hier gegen das Stattfinden der HV keine rechtlichen Bedenken, allerdings steht dem Aufwand der HV-Durchführung kein entsprechender Nutzen gegenüber, so dass die Absage die bessere Wahl ist. Denkbar sind auch Fälle, in denen Uneinigkeit zwischen den Beteiligten (etwa zwischen der Verwaltung und dem Großaktionär) bezüglich der anstehenden Beschlussfassungen besteht (z.B. hinsichtlich der vorzuschlagenden Personen im Rahmen von Aufsichtsratswahlen), so dass die Absage einer bereits einberufenen HV aufgrund von Klärungsbedarf eine sinnvolle oder sogar notwendige Alternative zur Einberufung darstellen kann. Daneben gibt es natürlich noch viele weitere Fälle, die von den jeweiligen Umständen bei der betroffenen Gesellschaft abhängen.

Formvorschriften

Eine gesetzliche Regelung zur Absage der HV gibt es nicht. Unstrittig ist diese möglich, muss aber den Aktionären mitgeteilt werden.

Die für die Einberufung geltenden gesetzlichen Formvorschriften sind für die Absage nicht anwendbar, es genügt eine formlose Rücknahme der Einberufung durch Erklärung der Absage, die so abgegeben werden muss, dass die Aktionäre bestmöglich Kenntnis nehmen können. Diese Erklärung muss Bezug nehmen auf die erfolgte Bekanntmachung der Einberufung und erkennen lassen, dass die HV nicht stattfindet; eine Angabe von Gründen ist nicht erforderlich. Gleichwohl wird die Gesellschaft es in der Regel nicht vermeiden können, den Aktionären auf der als nächstes stattfindenden HV u.a. dazu Rede und Antwort zu stehen. Der Weg der bestmöglichen Information der Aktionäre dürfte wie bei der Einberufung der Bundesanzeiger sein, welcher als gesetzliches Gesellschaftsblatt für Veröffentlichungen einem unbestimmten Adressatenkreis als Informationsquelle zugänglich ist. Je nach Rechtzeitigkeit der Absage kann auch eine Information an die Banken zur Weiterleitung an die Depotkunden bzw. bei Namensaktien die Information an die im Aktienregister aufgeführten Personen übermittelt werden, um so die Aktionäre der Gesellschaft zu erreichen. Daneben kann die Schaltung einer Pressemitteilung zur Absage der HV zur Weitergabe der Information an den Kapitalmarkt sinnvoll sein. Der Vollständigkeit halber sollte die Erklärung der Absage auch auf der Unternehmenswebsite unter der Rubrik „HV“ veröffentlicht werden.

Eine nicht effektive Absage, also die Nutzung der falschen Kommunikationswege, kann einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen seitens der Aktionäre bedingen. Ein falscher Kommunikationsweg könnte in der ausschließlichen Veröffentlichung der Absage in einem Börsenpflichtblatt zu sehen sein, da hier der Adressatenkreis als zu gering anzusehen ist.

Zu beachten ist schließlich, ob der Absagegrund unter den Tatbestand der Insiderinformation i.S.v. § 15 Wertpapierhandelsgesetzbuch zu subsumieren ist, der unter Umständen eine unverzügliche Veröffentlichung voraussetzt.

Zeitpunkt der Absage

Eine Frist für die Absage gibt es nicht, grundsätzlich sollte sie unverzüglich erfolgen und ist noch bis zur förmlichen Eröffnung der HV möglich. Zu beachten ist aber, dass für die Veröffentlichung der Absage im Bundesanzeiger grundsätzlich zwei Tage zur Bearbeitung einzuplanen sind, so dass an die rechtzeitige Einstellung der Mitteilung gedacht werden muss, damit diese noch vor der HV den Aktionären zur Kenntnis gebracht wird. Bei einer zeitlich sehr knappen Absage ist eine weitergehende Information der Aktionäre über die Banken im Sinne der §§ 128 Abs. 1, 125 Abs. 1 AktG nicht mehr gewährleistet und daher nicht sinnvoll.

Wichtig ist die Wahl des richtigen Zeitpunktes der Absage, wenn diese am Tag der HV selbst erfolgt: Hier muss geprüft werden, ob die HV bereits eröffnet worden ist oder ob der Versammlungsleiter dies noch nicht getan hat. Nach Eröffnung der HV obliegt der HV die Entscheidung über eine Absage bzw. Vertagung.

Person des Absagenden

Prinzipiell muss die Absage durch denjenigen erfolgen, der zur HV einberufen hat, also üblicherweise durch den Vorstand. Zu beachten ist, dass für die Absage der HV, also die Rücknahme der Einberufung, ein Beschluss des einberufenden Gesellschaftsorgans (also in der Regel des Vorstands) über die Rücknahme erforderlich ist.

Besonderheiten ergeben sich bei Hauptversammlungen, die aufgrund eines Minderheitenverlangens gem. § 122 Abs. 1 AktG einberufen wurden: Zwar muss auch in diesem Fall die Absage durch das Gesellschaftsorgan erfolgen, welches einberufen hat, da nach dem Gesetz nur dieses dazu befugt ist. Allerdings kann es nach einem Urteil des LG Frankfurt vom 12.3.2013 (Az.: 3-05 O 14/12) die Absage nicht eigenmächtig beschließen und durchführen, sondern nur dann, wenn der Minderheitsaktionär seinen Antrag nach Einberufung zurücknimmt. Damit wird dem Aktionär die Qualität des „mittelbar Einberufenden“ zugesprochen, mit dem Ergebnis, dass auch nur dieser die Befugnis zur (mittelbaren) Rücknahme der Einberufung hat. Eine Absage der HV durch den Vorstand kommt in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn die Durchführung der Versammlung aufgrund äußerer Einflüsse nicht mehr möglich ist, wie z.B. bei einer Unmöglichkeit der Nutzung des vorgesehenen Versammlungsortes.

Praktische Hinweise

Bevor eine Absage der HV umgesetzt wird, sollte geprüft werden, ob Heilungsmöglichkeiten bestehen und ob eine Korrektur von Fehlern im Einberufungstext und sodann eine Neueinberufung zeitlich noch möglich ist. Die Absage der HV sollte insofern die letzte Möglichkeit darstellen, da auch die negative Außenwirkung eines solchen Schrittes berücksichtigt werden muss.

Sobald die Entscheidung für die Absage gefallen ist, sollte die Gesellschaft umgehend ihre Berater und Dienstleister informieren, damit schnellstmöglich die Weitergabe der Information an den Kapitalmarkt erfolgen kann und unter Umständen noch Kosten für Räumlichkeiten und Catering durch eine rechtzeitige Reaktion reduziert werden können.

Fazit

Die Absage der HV ist niemals angenehm, aber manchmal notwendig. Wenn die genannten Vorgaben befolgt und rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, ist die Absage problemlos zu schaffen und einer etwaigen Neueinberufung sollte nichts im Wege stehen.

Ursprünglich erschienen in der HV Magazin Sonderausgabe „HV-Recht 2014“

Autor/Autorin