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Der Gesetzgeber hat zum Jahresende 2020 noch einmal Änderungen am Gesetz zur virtuellen Hauptversammlung beschlossen. Stichworte sind Fragerecht und Antragsfiktion. Daniel Bauer von der SdK und Dr. Franz-Josef Leven vom DAI haben unterschiedliche Ansichten was die Änderungen angeht. Einig sind sie sich ein einem Punkt allerdings durchaus: Der große Wurf sieht anders aus. Eine Gegenüberstellung zweier Positionen.

Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender SdK:

Die Rechte der Aktionäre wurden in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten massiv beschnitten. Dieser Trend wurde durch die Corona-Pandemie noch verschärft. Die zuletzt vorgenommenen Korrekturen müssen den Anfang einer Trendwende darstellen.

Die zurückliegenden zwei Jahrzehnte waren für Verfechter der Aktionärsdemokratie eine Leidenszeit. So wurde unter anderem die Klagebefugnis gegen Beschlüsse der Hauptversammlung (HV) beschränkt, ein Freigabeverfahren eingeführt und die Redezeitbegrenzung verschärft. Die im Zuge der Corona-Pandemie geschaffene Notfallgesetzgebung führt jedoch deutlich zu weit und muss schnellstmöglich beendet werden. Die in diesem Rahmen geschaffene Form der virtuellen HV verdient diesen Namen nicht und täuscht darüber hinweg, dass es sich dabei weniger um eine Versammlung als um einen Monolog des Managements handelt, bei demdieses nur die ihm bequemen Fragen der Aktionäre beantworten muss – Fragen, die zuvor elektronisch übermittelt wurden.

Eine spontane interaktive Kommunikation mit der Verwaltung, insbesondere das Stellen von Nachfragen oder gar die Diskussion strittiger Punkte während der „Versammlung“ fällt somit völlig weg. Dabei ist die Kommunikation – auch und gerade der Aktionäre untereinander – ein zentrales Element einer Hauptversammlung, denn nur so können Missstände aufgedeckt, effektiv Kontrolle ausgeübt und Änderungen herbeigeführt werden. Dem Rede- und Fragerecht der Aktionäre kommt eine zentrale Bedeutung dabei zu, dass diese ihre Pflichten wie die sorgfältige Auswahl von Aufsichtsräten und Wirtschaftsprüfern überhaupt erfüllen können.

Die nun beschlossenen Änderungen hinsichtlich der Einführung eines Fragerechts, der Verkürzung der Einreichungsfrist von Fragen von zwei auf einen Tag vor der HV und der Möglichkeit, tatsächlich wieder Gegenanträge und Wahlvorschläge zu stellen, sind zu begrüßen. Dass diese grundlegenden Rechte überhaupt zur Diskussion gestellt wurden, zeigt jedoch deutlich den verheerenden Zustand der Aktionärsrechte in Deutschland auf. Eigentümern verwehren zu wollen, eigene Kandidaten für das Kontrollgremium zur Wahl vorzuschlagen oder Gegenanträge zum Beispiel zur Gewinnverwendung von der Zustimmung der Verwaltung abhängig zu machen, ist unter keinen Umständen akzeptabel. Man stelle sich einmal vor, die Wahl der Listenkandidaten der Parteien im Vorfeld einer Wahl würde von der Zustimmung der jeweiligen Regierung abhängen oder die Oppositionsparteien müssten vorab alle Fragen an die Bundesregierung im Vorfeld einer Bundestagsdebatte schriftlich einreichen und der Bundesregierung stände es dann frei, zu bestimmen, welche Fragen gestellt werden dürfen und welche man auch beantworten möchte. Stellt man sich so demokratische Kontrolle vor? Das wäre wohl undenkbar – nicht umsonst hat der Bundestag auf die Durchführung der Bundestagssitzungen in virtueller Form bislang verzichtet.

Auch der politische Untersuchungsausschuss im Fall Wirecard hat darauf bestanden, wichtige Zeugen persönlich und gerade nicht per Videokonferenz zu befragen: Denn der persönliche Kontakt ist das A und O der Kommunikation – sowohl mit der Verwaltung als auch mit anderen Aktionären. Die Dynamik, die eine Präsenz-HV entwickeln kann, wird es bei einer virtuellen Hauptversammlung niemals geben. Daher kann die virtuelle HV nur eine Ergänzung zur Präsenz-HV sein, zu der wir schnellstmöglich zurückkehren müssen. Die jetzt durchgeführten Änderungen im Vorfeld der HV-Saison 2021 sind daher nur ein erster, ganz kleiner Schritt, der aber zu begrüßen ist.