Prof. Dr. Thomas M.J. Möllers und Christine Wecker,

 

Von Prof. Dr. Thomas M.J. Möllers und Christine Wecker, LL.M. (Washington, D.C.), Universität Augsburg

Die Finanzkrise 2008 hat Ratingagenturen verstärkt in den öffentlichen Fokus gerückt: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch wird und wurde ein zu großer Einfluss auf die Finanzmärkte, ja sogar eine Mitschuld an der Krise vorgehalten. Ankündigungen von sog. „Downgrades“ sorgen heute noch regelmäßig für einen Aufschrei in der Finanzwelt. Jetzt kritisierte sogar die Wirtschaft die Preismacht der großen Drei, die den Markt weitestgehend unter sich aufteilen. Der europäische Gesetzgeber ist bemüht, der oligopolistischen Marktstruktur entgegenzuwirken, bisher jedoch ohne Erfolg.

Errichtung einer europäischen Ratingagentur

Seit die EU-Kommission der Idee einer hoheitlich getragenen europäischen Ratingagentur eine Absage erteilte, konzentrieren sich aktuelle Vorschläge auf eine privatwirtschaftliche Lösung. Die Unternehmensberatung Roland Berger kündigte an, bis zum Frühjahr 2012 eine als Stiftung konzipierte Agentur errichten zu wollen. Die Umsetzung gestaltete sich jedoch erheblich schwieriger als erwartet. Erst musste der Start auf Herbst 2012 verschoben werden, nun scheint das Projekt endgültig auf der Kippe zu stehen. Möglichen Investoren scheint es an Vertrauen in den Erfolg dieser Geschäftsidee zu mangeln. Jetzt will Bertelsmann in die Bresche springen: Geplant ist die Errichtung einer nicht gewinnorientierten Ratingagentur, die ausschließlich Länderratings und Bewertungen internationaler Organisationen vornehmen soll. Es wird sich zeigen, ob es Roland Berger und auch Bertelsmann gelingen wird, das Vertrauen der Investoren und letztlich auch der Emittenten zu gewinnen.

Europäischer Verordnungsvorschlag

Der europäische Gesetzgeber dringt auf weitere Regulierungsmaßnahmen. So sieht der neue Verordnungsvorschlag der Kommission vor, dass Emittenten zwei verschiedene Ratingagenturen für die Bewertung von strukturierten Finanzinstrumenten beauftragen müssen. Ziel ist es, die Qualität der Ratings sicherzustellen. Da aber nach wie vor 95% des Marktes von „den großen Drei“ dominiert werden, kann der Vorschlag der Kommission zwar als erster Schritt in die richtige Richtung zur Steigerung der Unabhängigkeit der Ratings gewertet werden; zur Durchbrechung des Oligopols müssen aber weitere Maßnahmen erfolgen.

Zwang zu einem europäischen Rating

So wäre etwa denkbar, dass der europäische Gesetzgeber Unternehmen und Staaten verpflichtet, für ein zweites Rating zwingend eine europäische Ratingagentur zu beauftragen. Mit Blick auf die durch die ESMA zugelassenen Ratingagenturen müsste die Definition einer europäischen Ratingagentur aber präzise ausgestaltet werden. Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch werden derzeit durch insgesamt 16 Tochtergesellschaften in der Europäischen Union vertreten. Damit sind mehr als die Hälfte der 29 durch die ESMA anerkannten Ratingagenturen europäische „Ableger“ der großen Drei. Die Forderung nach einem zusätzlichen Rating allein ist deshalb noch nicht wirklich Erfolg versprechend. In Indien etwa wird der Ratingmarkt von drei hierzulande eher unbekannten Agenturen CRISIL, CARE und ICRA beherrscht, an denen die US-amerikanischen Agenturen jedoch teils erheblich beteiligt sind.

Denkbar wäre eine Gesetzgebung, die Unternehmen und Staaten verpflichtet, für ein zweites Rating zwingend eine europäische Ratingagentur zu beauftragen. Foto: PantherMedia / Wolfgang Filser

Um eine ähnliche „Unterwanderung“ der europäischen Agenturen zu verhindern, ist deshalb ein zweites Rating durch eine Ratingagentur zu fordern, die zu mindestens 50% von europäischen Anteilseignern gehalten wird. Auf diese Weise könnte erreicht werden, dass die vermeintliche Beeinflussung von Bewertungen durch angloamerikanische Interessen vermindert wird. Zudem sollte aber durch zwei Ratings von tatsächlich verschiedenen Agenturen eine möglichst hohe Qualitätsstufe erzielt werden. Nicht-europäischen Anbietern wäre damit keinesfalls der Zutritt zum europäischen Markt verwehrt, da der Rückgriff auf die etablierten Ratingagenturen durch ein „freies“ Rating nach wie vor möglich ist. Die Marktlage für die bisherigen Anbieter würde sich dementsprechend nicht verändern. Der Ratingmarkt würde sich lediglich für die europäischen Agenturen erweitern. Auch bleibt es Finanzinstituten weiterhin unbenommen, noch weitere, zusätzliche Ratings einzuholen. Als weiterer begrüßenswerter Nebeneffekt wäre mit dem Zwang zum europäischen Rating die Errichtung der viel diskutierten „einen“ europäischen Ratingagentur hinfällig: Die Unabhängigkeit des Ratings wird durch den Wettbewerb der europäischen Agenturen unter sich gewährleistet und ein Gegengewicht zu vermeintlich US-affinen Ratings wäre geschaffen.

 

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