Gegenüber der ursprünglichen Bookbuilding-Spanne (14-16 US-$), die vor Emission vom Konsortialführer Goldman Sachs kräftig angehoben wurde (40-42 US-$), bedeutete das ein Gewinn von mehr als 1.600% !!! Business-to-Business ist derzeit der größte Hype an der Wall Street. Unternehmen wie Ariba, Commerce One und Internet Capital Group (ICGE) haben so manchem Anleger Tränen in die Augen getrieben – Freudentränen bei jenen, die rechtzeitig investiert hatten und echte Tränen bei denen, die sich bis heute nicht dazu durchringen konnten.  Genau wie Ariba und Commerce One kann sich FreeMarkets.com jetzt auch schon in den Club der 10 Milliarden US-$ Unternehmen gesellen. ICGE hat diese Größenordnung schon längst hinter sich gelassen und wird etwa mit dem dreifachen bewertet.

Ein Marktteilnehmer erklärte diese Bewertungsniveaus mit der „Narrentheorie“ ganz nach dem Motto: „Ich mag ja ein Narr sein, wenn ich diese Aktie heute kaufe, aber ich bin sicher, morgen findet sich ein größerer Narr, der mir sie wieder abkauft.“ Doch was ist dran an B2B und wie kann ein Unternehmen, das in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres gerade einmal 13 Mio. US-$ umgesetzt, hat mit 10 Milliarden US-$ bewertet werden? Bevor wir über die Bewertung reden, wenden wir uns allerdings erst einmal der Frage zu, womit FreeMarkets.com sein Geld verliert (…und in Zukunft verdienen möchte). Das Unternehmen mit Sitz in Pittsburgh bietet umgekehrte Auktionen für den Einkauf von Industrieteilen und Rohmaterialien zwischen Unternehmen an; ein Markt, den das Unternehmen weltweit auf 5.000 Milliarden US-$ schätzt. Kunden von FreeMarkets.com wie etwa United Technologies, General Motors oder Allied Signal offerieren über das Internet (ähnlich einer Ausschreibung) Aufträge, um die dann weltweit online geboten werden kann. Anders als bei eBay unterbieten sich hier die Anbieter, weshalb der Auktionspreis nach unten tendiert. Wenn United Technologies z.B. bestimmte Plastikteile für Klimaanlagen benötigt, so können Anbieter sich bis zu einer vorgegebenen Deadline so lange unterbieten, bis der bestmögliche Preis für United gefunden ist. FreeMarkets bietet großen Industrieunternehmen die Chance, ihre Einkaufspreise deutlich zu drücken und wird so zu einer Art „digitaler Ignatio Lopez“. Das Potential dieses Geschäftsmodells ist gewaltig. Hier wird in Zukunft echtes Geld verdient! Kein anderer e-Commerce-Bereich hat derart reelle  Chancen, so schnell so tief in die schwarzen Zahlen zu kommen wie der B2B-Bereich. Forrester Research rechnet für die nächsten Jahre für die B2B-Industrie mit Wachstumsraten von rund 100%. FreeMarkets müsste allerdings deutlich schneller wachsen, um seiner Bewertung gerecht werden zu können. Dem steht allerdings auch nichts im Wege. Wachstumsraten von mehreren hundert Prozent sind angesichts des riesigen Marktes durchaus vorstellbar.

Internetanalyst Scott Ehrens von Bear Stearns, einer Investmentbank, die nicht im Konsortium vertreten war, äußerte sich unüblicherweise bereits vor dem IPO mehr als bullish zu FreeMarkets und setzte einen Preis von 300 US-$ als 12-Monats-Ziel. Dieses Ziel wurde wohl schneller erreicht, als er sich hatte träumen lassen. Was nun? Sollte man die Aktie immer noch kaufen, weil das Unternehmen zu den Pionieren einer gigantischen Zukunftsindustrie gehört oder ist dieses Niveau trotz exzellenter Aussichten niemals zu rechtfertigen? Scott Ehrens hat gleichzeitig ein Preisziel von 540 US-$ auf Sicht von 36 Monaten gesetzt. Auch dieses Niveau scheint nach GoingPublic-Meinung vertretbar.

Anleger die nicht alleine auf die „Narrentheorie“ setzen, sollten jedoch zunächst einmal abwarten, bis sich der stark überkaufte B2B-Markt und im besonderen FreeMarkets.com etwas abgekühlt haben. Wer an die bevorstehende B2B-Revolution glaubt,  kann sich anschließend für ICGE, Ariba, Commerce One oder auch  FreeMarkets entscheiden und sollte die Anteilscheine mehrere Jahre behalten. Während dieser Zeit muß sich der Anleger allerdings auf eine Achterbahnfahrt einstellen, die ihn im Falle wiederaufkeimender Zinsängste in Amerika auch vorübergehend deutlich bergab führen könnte.

Bereits vor einigen Monaten haben wir in unserer Kolumne auf das riesige Potential des B2B-Sektors hingewiesen. Die jüngste Rallye hat uns mit dieser Einschätzung recht gegeben.

                                                                                         

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.

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