Dr. Martin Steinbach, Head of IPO and Listing Services, Financial Accounting Advisory Services, IPO Leader Germany, Switzerland, Austria and EMEIA, Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Die Bilanz des weltweiten IPO-Markts 2012 zeigt im zweiten Jahr in Folge einen Rückgang der Primärmarktaktivität. Seit Jahresbeginn fanden weltweit 768 Börsengänge statt, bei denen insgesamt 119 Mrd. USD erlöst wurden – im Vorjahr waren im gleichen Zeitraum noch 1.112 Börsengänge mit einem Volumen von 156 Mrd. EUR gezählt worden. So liegt die Zahl der Börsengänge in diesem Jahr um 32% niedriger als im Vergleichszeitraum 2011 und sogar um 36% als in den ersten elf Monaten des Jahres 2010. Die gute Nachricht: Das vierte Quartal zeigte deutlich höhere IPO-Aktivität als die Vorquartale in Europa und den USA, was positiv für 2013 stimmt.

Primärmärkte in Asien, Amerika und Europa
In allen wichtigen IPO-Märkten wagten weniger Börsenneulinge den Sprung auf Parkett als im Vorjahr – auch in China, das jahrelang Hauptmotor des weltweiten IPO-Marktes war. Im Gesamtjahr 2010 waren in China (Volksrepublik China, Hongkong und Macao) noch 502 Börsengänge gezählt worden, 2011 immerhin noch 381. In diesem Jahr gab es bislang nur 228 IPOs im Reich der Mitte. Das Gesamt-Emissionsvolumen verringerte sich sogar von 131 Mrd. USD im Jahr 2010 über 72 Mrd. USD (2011) auf 26 Mrd. USD in diesem Jahr.

Ebenfalls rückläufig war die Zahl der IPOs in Nordamerika – nach 172 Transaktionen im Vorjahr wurden im Jahr 2012 bislang 152 Börsengänge in den USA und Kanada gezählt. Das Emissionsvolumen stieg hingegen dank des Facebook-IPOs, das allein 16 Mrd. USD einbrachte, um 8% auf 41,5 Mrd. USD.

Stark geschrumpft jedoch ist vor allem der europäische IPO-Markt: Die Zahl der IPOs europäischer Unternehmen ging um 47% von 260 auf 139 zurück, das Emissionsvolumen reduzierte sich sogar um 64% auf 12 Mrd. EUR. Die europäische Schuldenkrise, die inzwischen auch eine Konjunkturkrise ist, hat die IPO-Aktivitäten europaweit deutlich gebremst.


Größte Transaktionen, Börsenplätze und Attraktivität von Sektoren

Der größte Börsengang des Jahres war die erwähnte Erstnotiz von Facebook. Auf dem zweiten Platz folgt das IPO von Japan Airlines mit einem Emissionserlös von 8,5 Mrd. USD vor dem Börsengang der mexikanischen Grupo Financiero Santander Mexico (4 Mrd. USD). Gemessen an der Zahl der Erstnotierungen liegt im Jahr 2012 bislang die chinesische Börse Shenzhen (129 IPOs) an erster Stelle, gefolgt von der New York Stock Exchange (75). In Europa belegt die London Stock Exchange Platz 1 (3,9 Mrd. USD mit 57% aus russischen Listings). Gefolgt von Deutsche Börse (2,4 Mrd. USD) und Euronext (1,5 Mrd. USD) gemessen am Emissionsvolumen.

Der Investorenappetit nach Sektoren blieb im Ranking weitestgehend gleich. Jedoch legten Technologie, Consumer Products and Services, Financials, Media and Entertainment, Healthcare und Real Estate in der Gunst der Investoren 2012 zu.

Positive Entwicklung und gute Perspektiven in Deutschland
Der Börsenplatz Deutschland konnte sich dem europäischen und weltweiten Trend entziehen und einen leichten Aufschwung verzeichnen: Die Zahl der Emissionen in Deutschland ging zwar von 14 auf 11 zurück. Das Emissionsvolumen stieg aber um 8% auf 2,4 Mrd. USD. Damit war das Jahr 2012 – gemessen am Emissionsvolumen – das beste IPO-Jahr in Deutschland seit 2007, als Börsenneulinge insgesamt 9,9 Mrd. USD einsammelten.

Mit dem Börsengang von Telefónica Deutschland im Volumen von 1,6 Mrd. USD fand im dritten Quartal des Jahres der größte Börsengang in Deutschland seit der Erstnotiz der Tognum AG im Jahr 2007 statt. Dieser Börsengang war zugleich der zweitgrößte des Jahres 2012 in Europa (hinter dem russischen Mobilfunkanbieter Megafon) und der zehntgrößte weltweit. Und mit der Erstnotiz des Versicherungsunternehmens Talanx mit einem Volumen von 664 Mio. USD sowie DKSH gelangen in Deutschland und der Schweiz weitere große Börsengänge.

Ausblick 2013
Diese Transaktionen zeigen, dass nach mehreren mageren Jahren auch hierzulande größere Börsengänge möglich sind – das ist ein wichtiges Signal für den Primärmarkt Deutschland. Der Markt ist wieder aufnahmebereit, aber oft liegen die Preisvorstellungen von Investoren und Börsenkandidaten zu weit auseinander. Inwieweit sich der Trend sinkender initialer Emissionsvolumina fortsetzt, wird stark von der Rückkehr des Investoren- und Emittentenvertrauens abhängen. Die derzeit gute Entwicklung des DAX im weltweiten Kontext, die geringe Volatilität und ein historisch niedriges Zinsniveau sind gute Rahmendaten für ein positiveres IPO Sentiment 2013.

Dass die Furcht vor einer weiteren Eskalation der europäischen Schuldenkrise in den vergangenen Wochen nachgelassen hat, trägt ebenfalls zu einer positiven Grundstimmung unter den Marktteilnehmern bei. Zudem verfügt der Kapitalmarkt über erhebliche Liquidität, die darauf wartet, investiert zu werden. Wichtig ist nun, das derzeit positive Momentum des vierten Quartals 2012 und die Rückkehr des Investorenvertrauens aus positiven Erfahrungen mit Börsengängen für einen guten Start 2013 zu nutzen. Wichtig ist es auf Seiten der IPO-Kandidaten, in diesem Umfeld rechtzeitig und gut vorbereitet zu sein. D.h. notwendige Zahlen und Daten für den Prospekt und Due Diligence zu liefern und schnell agieren zu können. Denn Gewinner sind diejenigen, die die Gunst der Stunde offener IPO-Fenster nutzen.

Dieser Artikel ist erschienen im GoingPublic Magazin 1/2013.

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