Expertengesprächskreis mit Peter Dietz (GFD – Gesellschaft für Finanzkommunikation), Peter Poppe (HGB Hamburger Geschäftsberichte) und Simon Steiner (Hering Schuppener) zum Thema Finanzkommunikation 4.0 – ein Blick in die Kapitalmarktzukunft.

GoingPublic: Meine Herren, wie sieht die Finanzkommunikation der Zukunft im Kontext des digitalen Zeitalters aus – wird bald alles nur noch digital sein?

Poppe: Online ist ein Muss und Print die Zukunft. Im Reporting geht der Trend einerseits ganz stark in Richtung digitale Kanäle. Jedoch glaube ich, dass gerade für das Storytelling der Printbericht unverzichtbar bleibt. Auch wenn dieser künftig anders aussehen wird, z.B. in verkürzter Form als Factbook oder Strategiemagazin, zu denen der Finanzbericht als PDF im Web steht. Print wird vor allem wegen der Haptik weiter einen großen Stellenwert haben, da das Tasten nach Erkenntnissen des Neuromarketings als Wahrheitssinn gilt – digitale Revolution hin oder her. Um der Story Glaubwürdigkeit zu verleihen, ist ein Printprodukt deshalb unabdingbar. Finanzkommunikation muss möglichst viele Sinne des Menschen ansprechen und dabei die unterschiedlichen Stärken von Print und Online nutzen. So kommen Botschaften bei den Zielgruppen an und werden verstanden.

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Simon Steiner (Hering Schuppener) und Peter Poppe (HGB – Hamburger Geschäftsberichte) während des Roundtables – trotz ernster Diskussion kam auch der Spaß nicht zu kurz

Steiner: Der Trend hin zu innovativen Formaten wird sicherlich weitergehen, aber es wird in der Finanzkommunikation immer auch einen persönlichen Dialog geben. In Zeiten, in denen Informationen für Kapitalmarktteilnehmer über die digitalen Kanäle schnell und überall verfügbar sind, wird der persönliche Austausch mit Unternehmenslenkern immer wichtiger. Denn erst die Überzeugungskraft aus dem Zusammenspiel von Zahlen, Fakten und dem persönlichen Gespräch ermöglicht es Investoren, Journalisten oder anderen Zielgruppen, ein aussagekräftiges Gesamtbild von der Lage eines Unternehmens und dessen Strategie zu erhalten.

Dietz: In diesem Zusammenhang ist vor allem das Thema Vertrauen entscheidend. In Zeiten des digitalen Informationsüberflusses kann das Vertrauen deutlich schneller verspielt werden als noch vor zehn Jahren. Viele Kapitalmarktteilnehmer reagieren zunehmend affektgesteuert und vergessen die aktive Kommunikation. Für diese bleibt das persönliche Gespräch unabdingbar, um ein langfristiges Vertrauensverhältnis zu den Zielgruppen aufzubauen. Ein zunehmendes Problem ist es, dass den Finanzkommunikatoren immer weniger Zeit bleibt, sich um die Bedürfnisse und vor allem Erwartungen von Investoren, Analysten und Finanzjournalisten intensiv zu kümmern.

Inwieweit wird sich die IR-Arbeit künftig ändern, besonders im Hinblick auf die Rolle des strategischen IR-Managers?

Poppe: Die Finanzkommunikation sollte Entscheidungen immer danach treffen, was der Markt verlangt. Und dieser Markt wird vielfältiger und besteht aus einer größeren Zahl unterschiedlicher Stakeholder. Auch wenn der Shareholder nach wie vor im Fokus steht, wird es bei der
IR-Arbeit nicht mehr nur um die Aktienentwicklung gehen, sondern um einen thematisch breiteren Stakeholder-Dialog. Und dieser Dialog bietet den Unternehmen Chancen für die Weiterentwicklung von Strategie und Geschäftsmodell, aber auch einen konkreten Nutzen für die Produktpolitik. Mit solchen Ansätzen kann IR ihren Nutzen für das Unternehmen und damit ihren Stellenwert erhöhen.

Steiner: Ich finde es erschreckend, dass wir im Jahr 2016 noch immer über die Frage diskutieren, ob IR und Finanzkommunikation künftig eine stärkere strategische Rolle spielen werden. Bei großen Unternehmen hat IR ja auch in den meisten Fällen bereits eine klare strategische Funktion. IR-Manager stehen im ständigen Dialog mit wichtigen Zielgruppen. Sie erhalten einen umfassenden und fundierten Einblick in die Bewertung des Geschäftsmodells, der Strategie, des Wettbewerbsumfelds, des Marktumfelds etc. Dieses wertvolle Wissen wird in vielen Unternehmen bereits genutzt, indem IR beispielsweise in Strategieprozesse oder Diskussionen über wichtige Unternehmensentscheidungen eingebunden ist. Denn nur so können bei relevanten Weichenstellungen die Erwartungshaltung und die Sichtweise sehr bedeutender Zielgruppen mit berücksichtigt werden. Leider wird von diesem Potenzial in mittleren und kleineren Unternehmen noch zu wenig Gebrauch gemacht.

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Dietz: In den letzten Jahren kann man leider bei immer mehr Unternehmen beobachten, dass der Stellenwert des IR-Managers abnimmt. Häufig wird er dafür verantwortlich gemacht, wenn der Kurs nach unten geht, wenn er steigt, macht der Vorstand alles richtig. Dies liegt daran, dass viele Bereichsverantwortliche in den Konzernen gar nicht wissen, welche Rolle die IR eigentlich spielt, da diese in strategische Themen nur selten einbezogen wird. Hinzu kommt, dass die Arbeit auch immer umfangreicher geworden ist, gleichzeitig die Strukturen und Budgets eher verschlankt wurden. Wichtige Dialoge mit den Stakeholdern intern und extern kommen dabei häufig zu kurz.