Von Thomas Ronfeld, Leiter Corporate Finance, Privatbank Donner & Reuschel

Gibt es tatsächlich eine „Angst vor der Börse“ oder wird eine über Generationen gepflegte vorsichtige Vorgehensweise familiengeführter Unternehmen missverstanden? Auf der einen Seite stehen die hektischen, von Quartalsberichten und kurzfristigen Kursbewegungen getriebenen Börsen. Auf der anderen die um Werterhalt und Kontinuität bemühten Familienunternehmen. Man könnte meinen, ein gewisser „Sicherheitsabstand“ ist hier nur folgerichtig. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass Familienunternehmen nach der Founding-Family-Definition FFD – mindestens 25% Anteil am Grundkapital oder einen Vorstands- oder Aufsichtsratssitz – einen signifikanten Anteil am Börsengeschehen haben. Woher kommt also der Eindruck, dass Familienunternehmen Angst davor haben, sich den Finanzmärkten zu öffnen? Beruht die Zurückhaltung der Entscheider in den Unternehmen vielleicht eher auf einem mangelnden Bedarf? Oder bietet die Börse einfach die falschen Instrumente und/oder nicht die richtigen Investoren?

Unternehmen im „Schaufenster“

Motive für die Gewinnung von Eigenkapital über die Börse sind, ganz generell gesprochen, Wachstum, Eigentümerwechsel, Restrukturierung und Bekanntheit. Die ersten drei Gründe lassen sich auch über andere Instrumente wie Private Equity, alternative Eigenkapitalbeschaffung durch Private Placement und M&A-Beratung abdecken. Einzig die Bekanntheit eines Unternehmens wird durch (fast) nichts besser gesteigert als durch einen Börsengang und eine fortlaufende Notierung. Damit wird das Unternehmen ständig in ein „Schaufenster“ gestellt. Dadurch ist die interessierte Öffentlichkeit in der Lage, sich mit dem Unternehmen auseinanderzusetzen. Dem steht jedoch ein aus Unternehmenssicht oft als unfair empfundenes Verhalten der Kapitalmärkte gegenüber (insbesondere beim „Einpreisen“ von Unternehmensnachrichten). Auch das Phänomen des „Underpricing“ sei hier erwähnt, bei dem Familienunternehmen bei einem IPO einen schlechteren Kurs für ihre Aktien erlösen als nicht familiengeführte Unternehmen.

Börsennotierter Mittelstand in DeutschlandEine bessere Performance als anonyme Kapitalgesellschaften

Einmal gelistet zeigen inhabergeführte Unternehmen im Schnitt jedoch eine bessere Performance als anonyme Kapitalgesellschaften. So stieg der DaxPlusFamily seit dem 04.01.2010 um rund 51%, der DAX30 im gleichen Zeitraum nur um 45%. Grundlegend für diesen Erfolg ist sicherlich das langfristige Denken in Familienunternehmen. Sie konzentrieren sich auf ein Kerngeschäft und sind meist Marktführer in dem, was sie tun. Erfolgsgefährdende Strategien werden schnellstmöglich revidiert. Es gilt, zu jeder Zeit Schaden vom Unternehmen abzuwenden.
Nach der Börsennotierung steht das Unternehmen ganz klar im Fokus der Öffentlichkeit. Diese überprüft und kommentiert jede Entscheidung oder bringt ein anderes Verständnis für das Geschäftsmodell ein. Eine mehr oder minder große Zahl an Investoren möchte sich aktiv beteiligen und erwirbt damit ein Mitspracherecht im Unternehmen – ein Umstand, der dem traditionellen Streben nach Autonomie entgegensteht.

Vorzugsaktie, Fremdkapital oder Schuldscheindarlehen

Eine Möglichkeit, das Stimmrecht auszuschließen, ist die Ausgabe von Vorzugsaktien. Eine Vorgehensweise, die auch von großen börsennotierten Familienunternehmen wie z.B. Henkel gelebt wird. Eine andere Variante ist die Aufnahme von Fremdkapital über die Börse. Die meisten Analysen zeigen, dass Fremdkapital wesentlich dringender benötigt wird als Eigenkapital. Das beliebteste Produkt, abgesehen von Bankkrediten, ist das Schuldscheindarlehen. Ein weitgehend standardisiertes Produkt, das die Wirtschaft mit Geld von institutionellen Investoren versorgt. Die breite Öffentlichkeit ist hierbei jedoch ausgeschlossen.
Die Aufnahme von Fremdmitteln über die Emission von Anleihen wird immer beliebter und ist bei großen Konzernen, wie beispielsweise Dürr, vollkommen problemlos und sinnvoll sowohl für Investoren als auch für die Emittenten. Die versuchte Etablierung eines Marktes für kleinere Unternehmen („Mittelstandsanleihen“) dürfte aber aufgrund der Ausfälle der letzten Monate zunächst als gescheitert angesehen werden oder bedarf zumindest einer gründlichen Überarbeitung.

Fazit

Es sind genau diese Unternehmen, die von Börse und Investoren gesucht werden: Solide, innovative und langfristig orientierte Geschäftsmodelle, die über einen beachtlichen Track Record verfügen. Dafür stehen ausreichend interessierte Investoren zur Verfügung. Für die Unternehmen bestehen allerdings vielfältige Möglichkeiten der Finanzierung. Deshalb müssen Finanzdienstleister gemeinsam mit Familienunternehmen nach der Finanzierungsvariante suchen, die am besten zur Historie und den Eigenarten des Unternehmens passt. Fällt die Entscheidung auf einen Börsengang, können beide Seiten profitieren: Investoren am überdurchschnittlichen Erfolg und der umsichtigen Geschäftspolitik und die Unternehmen selbst durch den etablierten Zugang zu Eigen- und Fremdkapital. Die Aussichten für eine erfolgreiche Durchführung – auch langfristig – sind sehr gut.

Den kompletten Beitrag finden Sie im aktuellen GoingPublic Magazin mit dem Themenschwerpunkt „Familienunternehmen & Börse“ –  ab 31. Oktober erhältlich.

 

Autor/Autorin