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Mit dem Abkommen von Paris im Jahr 2015 wurde ein wichtiger internationaler Meilen­stein erreicht, als sich die Weltgemeinschaft auf eine Begrenzung der globalen Erwär­mung auf 1,5 °C verständigte. Seitdem nimmt der Klimaschutz eine immer größere Rolle in der Gesellschaft ein. Auch für die Finanzbranche sind die regulatorischen Anforderungen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit ­zunehmend gestiegen; zudem haben die Kundinnen und Kunden einen höheren Informations- und Beratungsbedarf. Wie sich die führende Bank im Gesundheitsmarkt, die Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG (apoBank), in Sachen Nachhaltigkeit aufstellt, dazu waren GoingPublic sowie Dr. Thomas Schulz, akademischer Leiter Nachhaltigkeitsprogramme, EBS Executive School, im ­Gespräch mit Alexander Müller, Mitglied des Vorstands bei der apoBank und gleichzeitig Themenpate für Nachhaltigkeit.

GoingPublic: Herr Müller, ist der Bewusstseinswandel in der Gesellschaft und in Ihrer Kundschaft bereits so weit gediehen, dass die Auswahl von Geschäftspartnern in der Finanzindustrie davon beeinflusst werden könnte?

Alexander Müller: Definitiv ja – vielleicht noch nicht bei allen, aber bei vielen. Wir werden ­gefragt, wo wir unsere Eigenanlagen investieren und ob wir beispielsweise klimaschädliche Kredite vergeben. Auch fragen viele Kundinnen und Kunden danach, was wir für die Gleichstellung in unserer Belegschaft tun und wie viele Frauen in Führungspositionen sind. Darüber hinaus ist für viele Nachwuchskräfte, die an einer Position in der apoBank interessiert sind, eine klare ­Position in Sachen Nachhaltigkeit wichtig. Außerdem schauen immer mehr institutionelle Anleger auf unsere Nachhaltigkeits­ratings und legen Wert darauf, dass wir uns klare Ziele setzen und entsprechende ­Maßnahmen einläuten, was wir auch tun.

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Alexander Müller ist seit 2021 Mitglied des Vorstands bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank eG, verantwortlich für das Ressort Großkunden und Märkte und gleichzeitig Themenpate für Nachhaltigkeit.

GoingPublic: Stichwort Ziele – wo sind Sie auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit?

Müller: Wir haben eine Nachhaltigkeits­strategie verabschiedet, die sich aus dem Leitbild der apoBank als Bank der Gesundheit ableitet, insbesondere aus unserem ­Anspruch, Gesundheit zu ermög­lichen: Denn Nachhaltigkeit ist auch Gesundheitsschutz. Aus unserem Geschäfts­modell folgt schon per se, dass wir beispielsweise keine Kredite an Unternehmen der Rüstungs-, Bergbau-, Öl- und Gasbranche vergeben, oder gar an Unter­nehmen, die gegen Menschen- und ­Arbeitsrechte ver­stoßen. Unser Ziel ist, bis spätestens 2045 über alle unsere Geschäftsaktivitäten hinweg, bei Finanzierungen und Anlagen, klimaneutral zu sein. Hier haben wir uns Prioritäten gesetzt: beispielsweise auf Finanzierungen im Gesundheitsmarkt sowie das Vermögens­geschäft für Kunden, ziel­gerichtete nachhaltige Maßnahmen für Mitarbeitende, einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen im Geschäfts­betrieb und unser gesellschaftliches und soziales Engagement. Bis spätestens 2024 werden wir klarere ESG-Kriterien für die Kredit­vergabe und Vermögensanlage festlegen.

Dr. Thomas Schulz: Wo sehen Sie auf der Weg­strecke die größten Herausforderungen?

Müller: Als Finanzinstitut haben wir sicherlich grundsätzlich einen geringeren CO2-Ausstoß als ein Industrieunternehmen. ­Unser eigener CO2-Fußabdruck ist daher ­etwas einfacher zu managen. Indem wir ­darauf achten, dass wir grünen Strom beziehen oder beim Heizen unserer Gebäude CO2-arm sind, leisten wir einen Beitrag zur Reduktion. Wir haben unseren CO2-Fuß­abdruck in den vergangenen fünf Jahren um rund 48% gesenkt. Sicherlich spielt die Corona­pandemie hier auch eine Rolle. Dennoch streben wir in den nächsten Jahren eine weitere Reduzierung an. Was unseren ­eigenen Geschäftsbetrieb als Unternehmen betrifft, haben wir uns fest vorgenommen, ihn bis 2030 klimaneutral zu gestalten. Anders sieht es aus, wenn es darum geht, den CO2-Gehalt im Bank­geschäft zu bestimmen: Für wie viel CO2-Emissionen steht unser Kreditportfolio oder in welche Wertpapiere investieren wir bzw. welche empfehlen wir unseren Kunden zur Anlage. Da müssen ganze Prozesse und Produktlösungen angepasst werden. Bereits beim Kunden­gespräch in der Kreditvergabe müssen wir dafür sorgen, dass die relevanten ­Daten vom Kunden zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die Vermögensverwaltungsprodukte unter Nachhal­tigkeits­kriterien anerkannt werden. Der in diesem Jahr stattfindende Klima­stresstest der EZB ist für die Banken ebenfalls eine besondere Herausforderung. Ein weiteres Handlungsfeld ist die sogenannte EU-Taxonomie zu Nach­haltigkeit. Sprich, was wird unter ­„grünen“ bzw. „nachhaltigen“ Investments verstan­den. Hier müssen die Banken ihre Portfoliosteuerung und -mes­sung anpassen.

Dr. Thomas Schulz ist akademischer Leiter Nachhaltigkeitsprogramme an der EBS Executive School. Das Angebot mit Sustainable-Finance-Fokus umfasst berufsbegleitende Kompaktstudiengänge und maßgeschneiderte Inhouse-Trainingsprogramme.

GoingPublic: Ihre Kundinnen und Kunden haben in einer eigenen Umfrage von Ihnen signalisiert, dass Nachhaltigkeit für sie von hoher Bedeutung ist, sie aber auch mehr Unterstützung benötigen. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

Müller: Wir freuen uns, dass das Bewusst­sein unter Praxis- und Apothekeninhaberinnen und -inhabern wächst, und wir beobachten das bei allen unseren Kundengruppen. Große Kliniken, Pflegeheime oder Versorgungsverbünde z.B. haben viel Potenzial, den CO2-Ausstoß zu senken oder das Abfallmanagement umwelt­freund­licher auszurichten. Das motiviert uns auch, unseren Kundinnen und Kunden ein zunehmend nachhaltigeres Banking anzubieten, nicht zuletzt auch, indem wir Nachhaltigkeitsaspekte mehr und mehr in die Beratung und in Produkte einfließen lassen und so auch Impulse setzen. Aber auch Wirtschaft und Politik werden natürlich dabei gefragt sein, das Gesund­heitswesen und die Wirtschaft klima­freundlicher zu gestalten. Finanzinstitute gehören dabei sicher zu den Transforma­tionsbeschleunigern, aber vor allem die ­Realwirtschaft wird mit ihrer Innovations­fähigkeit dazu beitragen. Es kann sich kaum ein Unternehmen erlauben, sich nicht mit Nachhaltigkeits­fragen zu beschäftigen; sie müssen ihre eigenen Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln und für sich definieren, ­wofür sie stehen. Für uns jedenfalls ist es Chance und Verpflichtung zugleich, unsere Kundinnen und Kunden auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu begleiten – und das nicht nur mit eigenen Produkten.

Dr. Schulz: Wie sieht das konkret aus?

Müller: Der erste Schritt ist, dass wir die Kompetenzen unserer Beraterinnen und ­Berater für Firmenkunden und institutionelle Anleger auf diesem Spezialgebiet aus­bauen. Wie kann man eine nachhaltige ­Unternehmensführung implementieren, wie sieht es mit Anlagestrategien aus, was sind die Besonderheiten bestimmter Anlageklassen und Investmentkategorien oder wie funktioniert die Bestimmung von ESG-Wertbeiträgen für Unternehmen und für Port­folios – das alles sind Fragen im Bereich von Finanzierungen und der Kapi­talanlage, auf die unsere Beraterinnen und Berater künftig fundiert Auskunft geben sollen. Dafür durchlaufen sie die­ses Jahr eine zertifizierte Ausbildung zum Nach­haltigkeitsexperten, die wir gemeinsam mit der EBS Business School auf die Beine gestellt haben. Nach ­einem kom­pakten Studium sind die Teilnehme­rinnen und Teilnehmer dann ­Corporate Sustainable Finance- bzw. Sustainable & Responsible Investments Advisors.

Dr. Schulz: In der Finanzindustrie geht es nicht nur um den ökologischen Fuß­abdruck der Banken selbst, sondern vor allem darum, in welche Investments die Geldströme gelenkt werden. Wie wird sich das auf die Beratung von institutionellen Anlegern auswirken?

Müller: Nicht-nachhaltigen Unternehmen fällt die Finanzierung über den Kapitalmarkt zunehmend schwerer. Investoren bevorzugen mehr und mehr klimabewusste Geschäftsstrategien und üben dadurch einen nicht zu unterschätzenden Druck auf alle anderen Unternehmen aus. Das hat zur Folge, dass die Anzahl nachhaltiger Finanzprodukte am Markt grundsätzlich zunehmen wird. Das bringt für Anlegerinnen und Anlegern ­zunächst einmal den Vorteil mit sich, dass sie zukünftig unter mehr nachhaltigen ­Anlagen auswählen können. Unsere Rolle sehen wir insbesondere darin, unsere Kundinnen und Kunden bei der Orientierung und Analyse zu unterstützen. Versorgungswerke wollen verantwortungsbewusst mit den Geldern der Heilberufler umgehen. Sie wünschen sich kompetente, vorausschauende Beratung dazu, wie sie ihre Anlagen wirklich nachhaltig gestalten können – und genau diese Beratung wollen wir ihnen ­bieten. Konkret sind wir dabei, unser ­Scoring- und Analyseangebot für institutionelle Anleger auszubauen.

GoingPublic: Lohnt sich nachhaltiges Inves­tieren auch unter Renditegesichtspunkten?

Müller: Im Coronajahr 2020 wurde Nach­haltigkeit zum Outperformer am Aktienmarkt. Das lag u.a. an der Vermeidung von Klimarisiken, wie sie z.B. BP im Jahr 2010 ­erleben musste, als eine Explosion auf der Ölbohrplattform Deepwater Horizon neben Umweltschäden auch massive Kursverluste für das Energieunternehmen mit sich brachte. Im Grundsatz können An­leger und Anle­gerinnen auch unter der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten am Kapitalmarkt attraktive Ren­ditechancen wahren, der Klimawandel beeinflusst die Wachstumschancen einzelner Branchen und ­Segmente jedoch unterschiedlich stark. In der Kapitalanlage kann daher ein aktives Management unter Beachtung von Klima­risiken das Portfolio optimieren.

GoingPublic/Dr. Schulz: Herr Müller, vielen Dank für Ihre Zeit und die aufschlussreichen Einblicke in die Nachhaltigkeitsstrategie der apoBank.

Das Interview führten Michael Fuchs und Dr. Thomas Schulz.

Autor/Autorin

Dr. Thomas Schulz

Dr. Thomas Schulz ist akademischer Leiter Nachhaltigkeitsprogramme an der EBS Executive School. Das Angebot mit Sustainable-Finance-Fokus umfasst berufsbegleitende Kompaktstudiengänge und maßgeschneiderte Inhouse-Trainingsprogramme.

Michael Fuchs