Gegenanträge und Tagesordnungserweiterungsverlangen sind die beiden in der Praxis relevanten, aktienrechtlichen Mitwirkungsmöglichkeiten von Aktionären im Vorfeld einer Hauptversammlung. Das zusätzlich noch existierende Aktionärsforum gemäß § 127a AktG hingegen hat seit seiner Einführung Ende 2005 nie eine nennenswerte Bedeutung erlangt. Von Karsten Tabbert und Dr. Thomas Rappers

In das beim Bundesanzeiger geführte Aktionärsforum können Aktionäre gegen Entgelt bestimmte Aufforderungen einstellen (Aufforderungen zu bestimmtem Abstimmverhalten, auf Vollmachtsüberlassung, auf Stimmensammlung zur Erreichung bestimmter Quoren, etwa für die Einberufung einer außerordentlichen HV, usw.). Aufgrund der Kostenpflicht, der Beschränkung des Freitextes auf nur 500 Zeichen und der auch sonst insgesamt eher unattraktiven Konzeption wird das Aktionärsforum heute fast nicht mehr genutzt. Verbreitete Instrumente zur Meinungsäußerung und Willensbildung vor der anberaumten Hauptversammlung sind mithin allein Gegenanträge, abweichende Wahlvorschläge und Tagesordnungserweiterungsverlangen. Obwohl diese Instrumente seit Langem etablierte Gestaltungen darstellen, ergeben sich in der Praxis nicht selten Detailfragen.

Das Recht der Aktionäre, Gegenanträge, Wahlvorschläge oder Ergänzungen der Tagesordnung zu unterbreiten und deren Zugänglichmachung zu verlangen, wurde in den vergangenen Jahren durch die Reformbemühungen des Gesetzgebers im Aktiengesetz inhaltlich nicht berührt. Neuerungen ergaben sich allerdings in formeller Hinsicht. Da Anträge zu Tagesordnungen von Hauptversammlungen in der Praxis nicht selten sind, gehen wir nachfolgend in einem „erneut“ auf das Thema ein. Welche Arten von Anträgen gibt es? Wie kann und wie muss die AG reagieren? Was dabei wichtig ist.

Zu unterscheiden sind generell Gegenanträge und Wahlvorschläge einerseits und die Anträge zur Erweiterung der Tagesordnung andererseits. Tabelle 1 zeigt den unterschiedlichen zeitlichen Vorlauf in Bezug zur Hauptversammlung und nennt die gesetzlichen Grundlagen.

Tabelle 1: Übersicht Anträge im zeitlichen Ablauf

Zeitpunkt Maßnahme Medium der Bekanntmachung
mindestens 30 Tage vor der Versammlung spätester Zugang von Ergänzungsverlangen gem. § 122 Abs. 2 zur Tagesordnung bei börsennotierten Gesellschaften. Bundesanzeiger sowie ggf. europäisches Medienbündel, Internetseite, Übermittlung an Aktionäre
mindestens 24 Tage vor der Versammlung spätester Zugang von Ergänzungsverlangen gem. § 122 Abs. 2 zur Tagesordnung bei nicht börsennotierten Gesellschaften. Internetseite
14 Tage vor der Versammlung letzter Tag zur Einreichung von Wahlvorschlägen zur Tagesordnung gem. § 127 S. 1 AktG Internetseite
14 Tage vor der Versammlung letzter Tag zur Einreichung von Gegenanträgen zur Tagesordnung gem. § 126 Abs. 1 AktG Internetseite
innerhalb von acht Monaten nach Geschäftsjahresabschluss Hauptversammlung gem. § 175 Abs. 1 AktG

 

Bei allen vorstehenden Fristen sind der Tag der Einreichung und der Tag der Hauptversammlung nicht mitzuzählen, vgl. § 121 Abs. 7 AktG. Atypische Sonderfälle, wie die zulässige Weiterleitung von Tagesordnungserweiterungen durch eingeschriebenen Brief bei vollständig bekanntem Aktionärskreis, sind vorstehend nicht erfasst.

Ergänzung der Tagesordnung

Beispiele:

– Antrag auf Rückkauf eigener Aktien

– Antrag auf Sonderprüfung

– Antrag auf Abberufung und/oder Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern (sofern nicht die Aufsichtsratswahl ohnehin auf der Tagesordnung enthalten ist), oft in Krisen- und Konfliktsituationen

– Anträge auf bestimmte Satzungsänderungen, oft zur Beschränkung missliebiger Geschäftsbereiche oder zur sonstigen Beschränkung der Leitungsmacht des Vorstands

 

Übersicht

Ein Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung unterscheidet sich vom klassischen Gegenantrag durch zwei wesentliche Merkmale. Erstens muss eine Mindestbeteiligung an der Gesellschaft von 5% des Grundkapitals oder der Aktienbesitz von zusammen mindestens 500.000 EUR der antragstellenden Aktionäre nachgewiesen werden. Zweitens wird die Tagesordnung um eben diese Punkte des Antrags erweitert. Die Punkte werden also hinzugefügt und die Tagesordnung geändert.

Erhält die Gesellschaft unter den in der Einberufung angegebenen Kontaktdaten ein Verlangen auf Ergänzung der Tagesordnung innerhalb der gesetzlichen Frist, nämlich mindestens innerhalb von 30 Tagen bei börsennotierten Gesellschaften (§ 122 Abs. 2 AktG), so ist dieses Verlangen auf der Internetseite zugänglich zu machen (§ 124 a AktG). In der Praxis hat es sich als zweckmäßig gezeigt, die genannte Frist abzuwarten und dann erst die Versendung der Aktionärsunterlagen durchzuführen. Hintergrund ist, dass mit einem Ergänzungsverlangen die Änderung der ursprünglich im Bundesanzeiger einberufenen Tagesordnung verbunden ist. Die Versendung der Unterlagen kann dann, ob nun elektronisch oder papierhaft, zusammen innerhalb der gesetzlichen Frist gemäß § 125 AktG erfolgen, sodass der Aufwand sowie die Kosten nur einmalig anfallen. Das Verlangen auf Ergänzung der Tagesordnung ist unverzüglich auf der Internetseite der Gesellschaft sowie im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Hinzu kommt die Verbreitung über ein europäisches Medienbündel.

Für nicht börsennotierte Gesellschaften gilt eine Eingangsfrist von mindestens 24 Tagen vor der Versammlung (§ 122 Abs. 2 AktG). In der Praxis ist ein Eingang von Erweiterungsanträgen am Ende der Frist mit einem zeitlichen Engpass bis zur Versendung der Tagesordnungen und Unterlagen gemäß § 125 AktG verbunden. Da keine Verpflichtung mehr zum Ausdruck und Versand der Erweiterungsanträge besteht (§ 125 Abs. 1 S. 3 AktG betrifft nur börsennotierte Gesellschaften), kann von einer Versendung abgesehen werden. Stattdessen liegt es im Ermessen der Gesellschaft, ob eine Versendung solcher Anträge inhaltlich gewünscht wird. Die Planung der Versendung wird hierdurch zeitlich vereinfacht. Das Verlangen auf Ergänzung der Tagesordnung ist unverzüglich auf der Internetseite der Gesellschaft sowie im Bundesanzeiger bekannt zu machen.