Eine Branche gibt Gas
Wer durch Deutschland fährt, stößt immer häufiger auf Biogasanlagen. Zischen 2000 und 2006 hat sich ihre Zahl annähernd vervierfacht. 3.500 Anlagen waren im vergangenen Jahr in Deutschland in Betrieb. Die Kraftwerke kommen zusammengenommen auf eine Leistung von 1.100 Megawatt (MW). Bis 2020 erwarten Experten einen Anstieg auf 9.500 MW. Die Betreiber der Anlagen – in aller Regel handelt es sich um Landwirte, aber zunehmend auch um Versorger – profitieren darüber hinaus von Einspeisetarifen für den erzeugten Strom, die die Bundesregierung auf 20 Jahre im EEG (Erneuerbare Energien-Gesetz) garantiert. Für die Branche der Biogasanlagenbauer prognostiziert der Fachverband Biogas daher ein jährliches Wachstum von durchschnittlich über 30 % bis 2010.

Nicht der Erste, aber der Größte
Mit EnviTec plant nun ein weiteres Unternehmen der Branche den Schritt aufs Börsenparkett. Nach dem IPO von Schmack Biogas im Mai vergangenen Jahres ist EnviTec allerdings nicht mehr der erste Biogasanlagenhersteller an der Börse. Die Niedersachsen mit Sitz in Lohne sind aber der größte – und zwar in vielerlei Hinsicht. Der Börsenkandidat hat in der Summe seit der Gründung im Jahr 2002 bis Ende 2006 schon 61,9 MW elektrische Leistung installiert. Zum Vergleich: Die bereits börsennotierte Schmack Biogas brachte bisher nur rund 45 MW ans Netz. Derzeit errichtet EnviTec in Mecklenburg-Vorpommern die nach eigenen Angaben wohl weltweit größte Anlage. Sie verfügt über eine Anschlussleistung von 20 Megawatt. Auch Umsatzmäßig liegt EnviTec mit gut 100 Mio. Euro im vergangenen Jahr vor Schmack. Die Bayern verbuchten zwar nur 90 Mio. Euro Umsatz, wuchsen allerdings deutlich schneller. Am deutlichsten setzt sich EnviTec in punkto Profitabilität ab: Die Norddeutschen schafften im vergangenen Jahr eine operative Marge von 18,4 %, Schmack kam über 4,9 % nicht hinaus. „Wir arbeiten mit einem standardisierten Verfahren und sind daher sehr schlank aufgestellt“, begründet EnviTec-Mitbegründer Olaf von Lehmden die hohe Rendite.

Internationale Expansion im Fokus
Mit dem nun geplanten Börsengang möchte EnviTec die internationale Expansion forcieren: „Wir halten den europäischen Markt für höchst interessant.“, so von Lehmden Schon heute ist das Unternehmen in acht Ländern des alten Kontinents sowie in Indien aktiv. Investieren möchte der Firmenlenker zudem in die Forschung und Entwicklung. So arbeitet EnviTec an einer neuen Vergasungstechnik. „Damit wollen wir den Rohstoffeinsatz um bis zu 20 % reduzieren.“ Dem Unternehmen selbst werden bei dem Börsengang etwa 120 bis 149 Mio. Euro nach Abzug der Emissionskosten zufließen. Damit stammt der größere Teil der Emission aus einer Kapitalerhöhung. Das Management selbst – derzeit noch zu 100 % Eigner von EnviTec – wird inklusive Mehrzuteilungsoption Aktien im Wert von 91 bis 112 Mio. Euro platzieren.

Finanzen und Ausblick
EnviTec ist in der Vergangenheit rasant gewachsen und dürfte dies auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Im vergangenen Jahr wuchs der Umsatz auf das 2,5fache, der Nettogewinn fiel mehr als dreimal so hoch aus wie im Vorjahr. Für die beiden kommenden Jahre gehen Branchenexperten von einem Umsatzwachstum im Bereich von rund 50 % pro Jahr aus. Der Ertrag dürfte mit den zu erwartenden Skaleneffekten noch etwas schneller wachsen. Nach einem starken ersten Quartal mit 32,8 Mio. Euro Umsatz erscheinen uns 155 Mio. Euro für das laufenden Jahr als relativ verlässliche Prognose, der Nettogewinn dürfte etwa 19 Mio. Euro erreichen. Bis 2009 sollte der Umsatz auf mindestens 350 Mio. Euro steigen, beim Nettoergebnis dürften etwa 45 Mio. Euro drin sein.

EnviTec – Geschäfts- und Kennzahlen

2006

2007e

2008e

2009e

Umsatz*

100,7

155,0

260,0

350,0

Nettoergebnis*

11,6

19,0

35,0

45,0

EpS

0,77

1,27

2,33

3,00

KGV min.**

54,3

33,2

18,0

14,0

KGV max.**

67,2

41,1

22,3

17,3

*) in Mio., sämtliche Angaben in Euro; Quelle: eigene Schätzungen GoingPublic Research
**) auf Basis der Preisspanne von 42 bis 52 Euro

Chancen und Bewertung
Der Biogasmarkt dürfte seine Boomphase noch mindestens zwei bis drei Jahre fortsetzen. EnviTec wird daran als größter Anlagenbauer teilnehmen und von zunehmenden Skaleneffekten profitieren. Als Unsicherheitsfaktor bleibt allerdings der Rohstoffpreis, den aber in erster Linie die Betreiber spüren. Freilich ist wäre auch eine Reduzierung der staatlichen Förderung denkbar. Auf die Anlagenbauer dürfte sich beides jedoch höchstens zeitverzögert auswirken. Angesichts dieser Wachstumsaussichten kommt EnviTec mit einer annehmbaren Bewertung auf den Markt. Am oberen Ende der Preisspanne bei 52 Euro ergibt sich für 2008 ein KGV von gut 22. Schmack Biogas und Biogas Nord, als weiteres börsennotiertes Vergleichsunternehmen, liegen für 2008 gleichauf bei 23 – hinken in Sachen Profitabilität allerdings deutlich hinterher. Auf Basis einer Bewertung nach Discounted Cash Flow-Modell wäre Envitec bei einer Marktkapitalisierung von 800 Mio. bis 1 Mrd. fair bewertet. Auf Basis der Preisspanne werden derzeit 630 bis 780 Mio. Euro angepeilt.

Fazit
In der Mitte der Zeichnungsspanne ergibt sich mit einem KGV 2008 von 20,5 ein Abstand zur Peer Group, der noch Luft für Zeichnungs- und Kursgewinne lässt. Angesichts der hohen Profitabilität und Wachstumsaussichten von EnviTec dürfte sich ein Investment lohnen. Auch die vorbörslichen Graumarktkurse von 52 bis 55 Euro deuten auf großes Interesse an der Emission hin. Anleger können daher bis 48 Euro zeichnen.

Wolfgang Hagl, Peter Mair

EnviTec Biogas – Emissionsparameter
WKN

A0M VLS

Erstnotiz

12. Juli

Zeichnungsfrist

2. bis 11. Juli

Bookbuildingspanne

42 bis 52

MarketCap

630 bis 780 Mio. Euro

Marktsegment

Amtlicher Markt (Prime Standard)

Emissionsprospekt

ja

Emissionsvolumen

3 Mio. Aktien aus Kapitalerhöhung,

1,487 Mio. von Altaktionären, zzgl. 673.000 Greenshoe

 217 bis 268 Mio. Euro

Konsortium

Dresdner Kleinwort, Berenberg; WestLB

Free Float

34,4 %

Internet

www.envitecbiogas.de

 

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